Auge um Auge (German Edition)
öffne ich noch ein paar Spinde, dann gebe ich auf.
Beim Cheerleader-Training sitze ich auf der untersten Bank der Tribüne, spiele mit dem Spitzenbesatz an meinen Sneakern und fühle mich mies, weil ich meinen Teil des Plans verpatzt habe.
Rennie steht vorn mit ihrem Klemmbrett. Gleich wird sie die Liste durchgehen, wer bei unserem ersten Spiel am Freitag für welchen Spieler cheeren wird.
»Die meisten von euch kennen ja bereits die Regel: Jede von euch wird einem Spieler zugeordnet, um den sie sich zu kümmern hat. Am Tag des Spiels dekoriert ihr seinen Spind, ihr backt ihm seine Lieblingskekse, ihr kümmert euch einfach ganz allgemein um seine Stimmung und darum, dass er ganz aufs Spiel konzentriert ist. Seit ich Freshman war, hatte ich den Quarterback Joe Blackman, und zwar, bis er aufs College ging, denn er hat mich jedes Jahr wieder angefordert. Und wollt ihr wissen, wieso?«
Zwei Juniors, Teresa Cruz und Lynn McMannis, flüstern kichernd miteinander. Ich weiß, was sie denken, aber das stimmt nicht.
Rennie wirft einen eisigen Blick in die Richtung der beiden, und sie verstummen sofort. »Ich werd’s euch sagen. Weil ich die Beste bin. An jedem Spieltag habe ich tausend Prozent gegeben. Joe Blackman musste mich nie um etwas bitten – ich habe all seine Wünsche vorausgesehen. Zuckerfreie Erdnussbutterkekse, am selben Morgen frisch gebacken, spezielle Cheers, wenn er Ermunterung brauchte. Und ganz ehrlich – ich bin stolz darauf, dass Joe inzwischen in der dritthöchsten Spielklasse überhaupt Football spielt, weil ich weiß, ich habe ihm geholfen, so weit zu kommen.« Rennie geht jetzt auf und ab. »Cheering ist nicht einfach hübsch aussehen und ein bisschen mit dem Hintern wackeln. Es bedeutet völlige Hingabe. Übrigens, Paige, dein Toetouch gestern beim Training war verdammt schwach.«
An diesem Punkt blende ich sie einfach aus. Wenn Rennie erst einmal mit ihren »motivierenden« Reden anfängt, dann findet sie einfach kein Ende.
Als sie mit ihrer Standpauke endlich fertig ist, fängt sie an, die Liste vorzulesen. Mein Kopf fährt hoch, als ich Nadias Namen höre. »Nadia, du hast Diego Antunes.«
Ich drehe mich um und schaue zu Nadia hinüber, die an der Unterlippe kaut und enttäuscht aussieht. Ich stehe auf und sage: »Und damit ihr’s alle wisst: Es ist eine große Ehre, wenn ein Freshman für einen Spieler der oberen Jahrgänge cheeren darf.« Nadia sollte sich dadurch ein bisschen besser fühlen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass es viel gebracht hat.
In letzter Zeit war alles ruhig an der Nadia-Alex-Front. Ich sorge immer noch dafür, dass Nadia kaum aus dem Haus kommt. Sie darf nur bei Janelle oder bei uns sein, und nachts lasse ich meine Zimmertür offen, damit ich mitbekomme, falls sie versuchen sollte, sich wieder aus dem Haus zu schleichen. Außerdem habe ich gestern Morgen ihr Handy kontrolliert, als sie geduscht hat, aber irgendwelche SMS oder Anrufe von Alex waren nicht drauf. Ich hoffe mal, ihr Techtelmechtel war eine einmalige Geschichte. Falls nicht, wird es sich nach dieser Woche erledigt haben.
Rennie arbeitet weiter ihre Liste ab. Ich warte auf Teresas Namen, weil ich mir schon sicher bin, dass Rennie ihr einen ganz blöden Spieler zugeteilt hat.
»Teresa, du übernimmst Lee Freddington.«
Oje . Freddington ist ein Sophomore, unser Ersatz-Quarterback. Der bekommt doch nicht eine Minute Spielzeit, schließlich ist Reeve die Nummer eins als Quarterback.
Teresa starrt Rennie wütend an, und eine Sekunde lang halte ich es für möglich, dass sie sich tatsächlich beschwert. Aber das tut sie natürlich nicht. Niemand beschwert sich je.
Rennie reicht mir ihr Klemmbrett. »Kommt jetzt alle zu Lillia, sie versorgt euch mit den Spieler-Infos. Die geben wir euch nur ein einziges Mal, also schreibt sie euch irgendwo auf, wo ihr sie nicht verlieren könnt.« Zu mir sagt sie: »Ich hol mir nur ’ne Flasche Wasser. Bin gleich wieder da.«
Ich sehe die Liste durch mit den Namen aller Jungs in der Footballmannschaft sowie mit ihren Geburtstagen, Lieblingskeksen, Anschrift, Handynummern – und Schließfachkombinationen, sowohl im Schulgebäude als auch in der Sporthalle.
Ich hätte das Blatt Papier küssen können. Alex Lind, jetzt bist du echt geliefert.
Am Dienstag sah Alex’ Haut rosig und sehr empfindlich aus. Heute ist Mittwoch, und sie scheint aufzuplatzen. Er erinnert mich an die Eidechse, die Nadia vor ein paar Jahren gefunden hat, als wir mit der ganzen Familie in
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