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Auge um Auge (German Edition)

Auge um Auge (German Edition)

Titel: Auge um Auge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han , Siobhan Vivian
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allem aber brenne ich darauf, ihr um den Hals zu fallen und ihr zu danken.
    »Tante Bette?«, rufe ich nach oben und laufe schnell die Treppe hoch.
    An den Atelierwänden stehen Bilder aufgereiht. Dazwischen stapeln sich Skizzen. Manchmal malt Tante Bette dieselbe Szene fünfzig Mal, bis sie zufrieden ist. Der Raum hat schräge Wände, um mir nicht den Kopf zu stoßen, muss ich mich in der Mitte halten. Ganz am Ende des Ateliers steht Tante Bettes Staffelei. Zum Malen braucht sie Licht von hinten, sagt sie. Neben der Staffelei steht ein Tisch mit ihren Farben und Pinseln. Die kleinen Farbpfützen auf der Palette sind noch ganz frisch und glänzen feucht.
    Ich sehe die Beine meiner Tante, höre das Geräusch des Pinsels auf der Leinwand.
    »Tante Bette!«
    Sie schaut an der Leinwand vorbei zu mir herüber. Ich drehe mich einmal im Kreis für sie. »Mary, du siehst wunderhübsch aus!«
    »Danke. Das Kleid ist fantastisch.«
    Tante Bette nickt lächelnd. »Ich freue mich, dass du jetzt glücklich bist.«
    »Das bin ich«, sage ich. »Das bin ich wirklich.«
    Ich gehe zurück in mein Zimmer und bürste mir die Haare. Dann öffne ich meine Schmuckschachtel, nehme meine Kette mit dem Gänseblümchenanhänger heraus und lege sie mir um.
    ···
    Zu meinem zwölften Geburtstag hatte ich meine ganze Klasse nach Jar Island eingeladen, zu mir nach Hause. So war das bei Montessoris, jeder lud jeden ein. In den früheren Jahren hatte ich immer auf dem Festland gefeiert, weil alle anderen ja dort lebten. Wir haben dann in der Bowlinghalle gefeiert oder auf einer Laser-Tag-Anlage oder in einer Pizzeria. Doch dieses Jahr musste es bei mir zu Hause sein, wegen des Mottos.
    Die Idee dazu war mir gekommen, als ich mit meiner Mom ins Papiergeschäft ging, um Einladungskarten auszusuchen. Dort fand ich Karten, die wie rot-gelb gestreifte Zirkuszelte aussahen. Man klappte sie auf, indem man den Zelteingang hochschlug.
    Ich sah es sofort vor mir: Eine Kirmesparty, mit Ringewerfen und Basketball-Freiwurf und witzigem Essen wie Zuckerwatte und Popcorn und vielleicht sogar Schmalzgebäck. Platz gab es genug für alle, schließlich hatten wir einen großen Garten. Einen Moment lang war ich unsicher, ob das Motto »Kirmes« für Siebtklässler nicht zu kindisch wäre, aber dann sagte ich mir, dass die Jungs bestimmt begeistert von den Spielen wären, sie gaben doch so gern damit an, wie viele Freiwürfe sie hintereinander schafften. Die Mädchen wiederum würden sich über die Preise freuen, die es zu gewinnen gäbe. Wir bestellten sie im Internet – Stofftiere und Lippenbalsam mit Fruchtgeschmack für die Mädchen, Baseballkappen für die Jungs.
    Dad sägte Löcher in ein Sperrholzbrett, und um die herum malten Tante Bette und ich einen Elefanten, eine Giraffe und einen Affen, sodass die Kinder den Kopf hindurchstecken und sich so fotografieren lassen konnten. Außerdem mieteten wir eine altmodische Popcornmaschine und ein Gerät, mit dem man Zuckerwatte herstellen konnte. Dad wollte Hotdogs für uns grillen und Mom ihren berühmten Kartoffelsalat machen.
    Noch hassten mich alle, aber nach so einer tollen Geburtstagsfeier würden sie bestimmt anders über mich denken.
    Ich saß am Straßenrand und sah erwartungsvoll die Straße hinunter, ob meine Mutter nicht bald mit den Gästen käme, die sie um drei von der Fähre abholen wollte. Jetzt war es schon nach vier, was hieß, dass bereits drei Fähren auf Jar Island angelegt hatten.
    Langsam bekam ich ein mulmiges Gefühl im Magen. Keiner würde zu meiner Party kommen. Nicht einmal Anne. Ich stellte mir vor, wie Mom an der Anlegestelle stand mit dem Schild, das wir zusammen gemalt hatten. HIER GEHT’S ZUM ZIRKUS stand darauf. Ich ertrug es nicht länger bei Tante Bette und Dad im Garten. Immer wieder richteten sie die Dekoration und die Spiele neu her, nur um irgendetwas zu tun zu haben, und fragten zum x-ten Mal, ob ich nicht schon einmal meine Geschenke öffnen wolle. Als ob es mir davon besser ginge!
    Gegen halb fünf sah ich das Auto von Reeves Mutter die Straße herunterkommen. Sobald ich ihn sah, sprang ich auf. Seit Wochen hatte ich immer wieder von meinem Geburtstag gesprochen, von den Spielen, die wir planten, den Preisen und dem Schokoladenkuchen, den wir bestellt hatten. Das mit den Freiwürfen hatte ich extra seinetwegen vorgeschlagen, weil ich wusste, wie gern er Basketball spielte. Dad hatte sogar extra einen Ring gekauft und über der Garage angebracht.
    Reeves Mutter parkte. Ich

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