Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)
strich, als wäre es statisch aufgeladen.
Wie geschlagen fuhr sie herum. »Sie sind aus dem Labor!« Der Mann mit den graublauen Augen. Den sie hatte erblinden lassen. Er kam, um sich zu rächen!
Ein entsetztes Stöhnen entglitt ihm. Er atmete stoßweise und wich hörbar zurück. »O mein Gott!«
Sie stutzte. Trotz des Durcheinanders in ihrem Körper und ihrem Hirn wusste sie mit Sicherheit, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Nur, was?
»Wieso? Was? Warum bist du …?«, stotterte er aus einigen Metern Entfernung.
»Ich bin nicht gefährlich«, murmelte sie und zwang sich, fest auf den Boden zu starren, den Kopf nicht zu heben.
Er aber war es.
Sie hatte es in ihm gesehen und mit aller Macht automatisch verdrängt. Sie wusste nur, dass er schlecht war, doch was er getan hatte, das hatte sie nicht erfahren wollen und so hatte ihr Unterbewusstsein sie instinktiv geschützt. Das Wissen über ihn kam ihr erst jetzt. Seltsam. Dennoch, er konnte ihr sagen, was im Labor passiert war. Warum er dort gewesen war, warum er so geschrien hatte, obwohl sie es sich sofort hatte denken können. Sie hatte ihn zu einem Krüppel gemacht. Genauso wie Mr. Night. Deshalb musste er jetzt betteln.
Entsetzliche Scham mischte sich in ihre Furcht. Nun wurde sie nicht nachts von einem Sittenstrolch vergewaltigt, wie es anderen unschuldigen Frauen passierte, sondern von jemandem grausam ermordet, weil er sich für seine Blindheit rächte. Nur zu, dachte sie in einem Moment, doch dazu liebte sie ihr Leben zu sehr, egal, wie seltsam es auch verlief.
»Wie kommst du hierher?«, hauchte er kaum hörbar.
»Und du?«, gab sie gedämpft zurück.
»Du darfst nicht frei herumlaufen!«
»Ich gefährde niemanden«, sagte sie kleinlaut. Tränen traten ihr in die brennenden Augen.
»Nein, nein«, rief er plötzlich so laut, dass sie zusammenzuckte. Er kam näher. »O Gott, es steht in der Bibel. Du, wir, also wir alle, müssen Sehen lernen! Ich …«
View drückte sich an die Mauer, die ihr den Rückzug versperrte. Eine Hand berührte sie an der Schulter. Atem, nach Kaffee und Tabak riechend, schlug ihr entgegen. Der verrückte William!, schoss es ihr durch den Kopf. Sie schrie grell auf und schlug nach der Männerhand.
»Lass sie sofort los«, brüllte Zac direkt neben ihr. Sein bedrohlicher Knurrlaut verzerrte seine tiefe Stimme, machte sie wild wie die eines mordlüsternen Tigers.
Gott sei Dank war er da. Zac würde nicht zulassen, dass dieser durchgeknallte Irre ihr etwas antat, auch wenn sie es verdient hatte.
»Ich wollte nur …«, stotterte er.
View wich weiter an der Mauer zur Seite aus. »Hauen Sie ab«, wisperte sie schwach. »Bitte.«
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich bin dir dankbar. Gott hat dich …«
»Halts Maul oder ich breche dir die Beine! Verschwinde endlich, sonst ruf ich die Polizei«, knurrte Zac.
»Bitte«, warf View hinterher. »Geh.«
William wich zurück. »So hör doch! Es stimmt. Alles! Wir müssen aufhören, wie blind durch …«
»Was ist denn hier los?«
View atmete auf. Babs war zurück. Sie klang alles andere als ruhig, zurückhaltend und jung. Energisch, kraftvoll und stinkwütend.
»William«, zischte sie, »was ist in dich gefahren? Du gefährdest das ganze Projekt. Lass das Mädchen in Ruhe! Sehe ich dich auch nur noch ein Mal in ihrer Nähe, dann bekommst du nie wieder etwas von mir. Niemals! Hörst du?«
»Ich, aber … Babs! Sie hat …«
»Das ist mir egal! Jeder ist hier willkommen, egal, was er getan hat oder warum er bedürftig ist.« Babs schnaufte.
»Babs, ich …«
»William! Es reicht. Du hattest dein Wasser für heute, geh jetzt. Morgen kannst du wiederkommen, wenn du dich beruhigt und darüber nachgedacht hast, warum du der jungen Frau hier Angst eingejagt hast.«
»Es tut mir leid«, sagte er, drehte sich um und ging mit diesen eigentümlich unsicheren Schritten davon.
Views schlechtes Gewissen brach sich Bahn. Sie! Sie hatte ihn erblinden lassen und nun musste er dieses Leben führen. Sie hatte ihn auf dem Gewissen. View schlug die Hände vors Gesicht. Sie zitterten.
Zac atmete erleichtert aus.
»Ich verstehe nicht, was in ihn gefahren ist. Es tut mir leid. Er war immer etwas sonderbar, aber harmlos. Ich verstehe es wirklich nicht. Hier«, Babs zog behutsam ihre Hände vom Gesicht und drückte ihr etwas Weiches hinein, »ein dicker Pullover, ein ich denke mal etwas besser passendes T-Shirt und ein Slip, von mir.« Sie lächelte. »Frisch gewaschen
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