Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
Bewusstsein.
Sie glaubte sich zu erinnern, dass er die Kette in die rechte
Innentasche gesteckt hatte. Verdammt!
Aber ihr blieb keine Wahl. Vorsichtig schob sie ihre Finger
unter
den
Umhang
und tastete das warme Futter
ab.
Tatsächlich.
Es gab sicher
viele Dummheiten
in
ihrem
Leben, aber diese hatte sich scheinbar gelohnt. Sie berührte
jetzt etwas Kaltes, Eckiges. Es war nicht schwer und klein
genug,
dass
sie
es
mit
einer
Hand
umgreifen
konnte.
Langsam angelte sie es aus der Tasche und zog es heraus.
Eine kleine rote Truhe kam zum Vorschein. Der Deckel war
kunstvoll, wie ihre Schlangenkette. Er hatte einen kleinen
silbernen Metallverschluss, den man… Klack! Sie schnappte
auf.
Vell zuckte zusammen.
Ihr Atem gefror. Sie sah auf den Umhangträger.
Doch er bewegte sich nicht.
Sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig und er
atmete wie zuvor.
Bei den Göttern!
Er schien zu schlafen wie ein Toter!
Erleichtert griff sie den Deckel und klappte ihn auf. Ein
gerolltes Pergament war darin. Darauf stand etwas. Die
Buchstaben
waren
mit
Tinte
und
in
klarer
Schrift
geschrieben:
. Was??!!!
Sie stopfte die Nachricht zurück und presste das Kästchen
zusammen.
Das konnte nicht sein! Niemals!
Ihr Herz aber raste.
Mit dem Rest ihrer Selbstbeherrschung steckte sie alles
zurück in die Manteltasche und erhob sich.
Woher nur konnte er ahnen, dass sie ihn durchsuchen
würde? Wissen, dass sie überhaupt dazu fähig war?!
Sie kaute auf ihren Fingernägeln und lief dabei im Raum auf
und ab. Das war absurd. Es ergab überhaupt keinen Sinn!
Im selben Moment verschnürte ein Gedanke ihre Kehle.
Aber was, wenn..
die Schritte… der Schlüssel…….
Was wenn er schon die ganze Zeit über in ihrer Nähe
gewesen war? Vielleicht hatte er ihr Zimmer durchsucht.
Gesehen,
dass sie sämtliche Verbote brach und wie sie
heimlich im Schloss ein und ausging.
Sie starrte zur Tür, dann wieder auf den Schlafenden. Wenn
sie jetzt ging, war ihre Kette verloren. Sie würde es vielleicht
nach Keant schaffen, zu ihrer Amme und Egan. Aber was
würde das ändern? Ihr Großonkel war bereits so gut wie tot.
Und bald schon fiel das Schloss an den fragwürdigen Lord
Seraphim.
Sie
hatte
nichts
als
ihrem
Kleid
am
Körper,
war
minderjährig und kannte keine Menschenseele.
Wenn sie also fliehen wollte, brauchte sie Hilfe. Seine Hilfe.
Und er setzte darauf, dass sie so klug war, das einzusehen.
Aber dachte er wirklich sie würde so dumm sein?
Warum in aller Welt sollte sie so etwas tun?
Er war ein Verbrecher! Ein Hundekiller!
Großer Gott, Vell. Du musst hier verschwinden!
Lauf weg, so lange du noch kannst!
*
Doch Velura lief nicht weg. Auch nicht nach einer Weile.
Stattdessen saß sie auf dem Lager und dachte nach. Wenn
der
Umhangträger aufwachte,
würde sie ihn
zur Rede
stellen. Sie musste wissen, was er vorhatte. Und sich etwas
einfallen lassen, damit sie wieder an ihre Kette kam.
Aber der Nachmittag strich vorüber, ohne, dass er sich auch
nur bewegte.
Aus den
Augenblicken
in
Ungewissheit
wurden allmählich Stunden. Obwohl es kein Zeitrad gab,
wusste sie anhand des Tageslichts, dass es längst früher
Abend sein
musste.
Wenn
sie nicht
gerade allein
und
angespannt in der Stube umher lief, verharrte sie still auf
ihrem Stuhl und sah ihm beim Schlafen zu.
Erst bei Dämmerung waren abermals Schritte zu hören. Wie
erwartet kam die Heilerin nach Hause. In ihrem Arm trug
sie einen Korb mit Äpfeln. Sie atmete schwer und an ihrem
erhitzten Gesicht war zu lesen, dass etwas nicht stimmte.
„ Ihr müsst hier verschwinden “, tönte sie aufgebracht, „ ich
kann euch nicht länger verstecken!“
„Was meint ihr?“, fragte Vell
„Man sucht nach dir, Mädchen. Sie sind hier gewesen. “
Erschrocken sprang Velura auf. „ Wer?“
„Soldaten, sie sagen du wärst entführt worden.“
Jetzt
hörte
man
auch
vom
Kamin
her
Geräusche.
Tatsächlich bewegte sich der Schlafende und kam zur Tür.
Auch seine Augen waren dunkel, so, wie sein struppiges
Haar.
„Wie viele ?“, fragte er
„ Fünf“, erwiderte die Alte, „ sie haben erzählt, dass jeder, der
sie findet, eine großzügige Belohnung erhält!“
Vell fühlte wie er sie musterte,
sie
taxierte.
Doch
ihre
Stimme versagte, ganz anders als geplant
„ Was hast du ihnen erzählt?“ , fragte er.
„Nichts“, knurrte Alte, „ denn ich will nichts damit zu tun
haben.“ Mürrisch
schob sie ihren
Gast
bei
Seite und
schleppte ihren Korb bis zum Küchentisch.
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