Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
spähte Willet durch das Fernrohr.
Bereits in den frühen Abendstunden waren ihre Feinde am
Horizont verschwunden und zum ersten Mal war es wieder
ruhig an Deck. Der Abendstern erhellte die Dämmerung auf
offener
See und seine
Gedanken
hatten
aufgehört
zu
kreisen. Es war wieder friedlich, zumindest jetzt, bis auf
leise
Schritte,
die sich näherten. Sie kamen
die Treppe
hinauf und jemand gesellte sich zu ihm an die Reling.
„ Der letzte Pirat“, stellte der Patrizier fest, „ein Grund zum
Feiern, nehme ich an.“
„Habt ihr schon mit Forkhart gesprochen ?“
„ Nun, er scheint auf dem Weg der Besserung ", bestätigte die
Schranze, „ was bedeutet, dass dir nicht mehr viel Zeit bleibt.“
„Was? Will er mich immer noch hinrichten? "
„ Nein, mein Freund, die Verantwortung liegt nun ganz bei
mir. Darum mein Vorschlag, Will. Du legst die Karten auf den
Tisch und ich werde davon absehen, dich einem Gericht zu
überantworten. Der König verlangt Loyalität und deine steht
leider längst auf dem Prüfstand.“
„Weshalb? Hat euch meine Geschichte denn nicht gefallen?“
„Nein, im Gegenteil. Ich fange gerade an, mich an ihr zu
erfreuen. Dennoch solltest du dir im Klaren sein, dass du mich
nicht länger täuschen kannst, Will. Du verbirgst ein wenig
mehr als den armen Piratenjungen.“
„Und ihr? Ihr habt euch selbst erfunden, um unantastbar zu
sein. Ist das etwa mutiger?“
„ Keineswegs“, gab die Schranze zu , „man hat schon sehr früh
festgestellt, dass meine Psyche, nennen wir es einzigartig, ist.
Doch seit dem unnatürlich frühen Tod meines Vaters, fühle
ich mich beinahe vollständig geheilt, man könnte fast sagen,
wie neu geboren.“ Ein kühles Lächeln umspielte den Mund , des Patriziers und er starrte hinaus auf die See, „ also glaube
nicht, dass du mich jemals schockieren, geschweige denn
beeindrucken könntest. Alles, was ich will, ist die Wahrheit.
Ohne jede Umschweife.“
Ihre Augen trafen sich. „ Wollt ihr nicht“, widersprach Willet,
„ glaubt mir.“
„Der König muss es nicht erfahren“, versicherte der Patrizier, „solange ich dir nur vertrauen kann. Denn da ist etwas mit dir
geschehen, Will, gestern im Wasser. Du bist mir mehr als nur
eine Erklärung schuldig.“
Ψ
Schweigend betrat der Patrizier die Kajüte. Sein Gesicht war
bleich und er schenkte sich ein volles Glas Whiskey ein. Als
es leer war, füllte er es noch einmal auf und trank es in
wenigen Schlucken. „ Ist euch nicht wohl ?“, fragte Vell. Er
ignorierte sie und starrte nun stumm aus dem Fenster.
Draußen über dem Meer glänzte der Halbmond. Es war weit
nach
Mitternacht
und
Willet
war
bis
jetzt
nicht
zurückgekehrt. Vermutlich hielt er noch Nachtwache. Also
kletterte sie aus dem Bett und begann ihn zu suchen.
*
Draußen blies ihr frischer Wind ins Gesicht.
Auf dem Vorderdeck war es ruhig und sie entdeckte ihn an
der Reling. Er war ganz alleine und sah hinauf zu den
Sternen.
„ Solltest du nicht schon im Bett sein?“
„Das war ich, aber du hast gefehlt.“
Velura schmiegte sich an ihn und bemerkte sein ernstes
Gesicht. „ Will, was ist los?“ ,
Seine Augen wollten ihr wieder ausweichen.
„ So machst du mir Angst!“
„Nicht nur dir“, versicherte er .
„ Wieso, was meinst du?“
„Ich bin verflucht“, erwiderte er , „wir beide.“
„ Warum sagst du so was ?“
„ Weil ich nicht mehr leben dürfte! Ich bin der letzte der
schwarzen Blutlinie!“
„ Was? “ Vell erstarrte. Aber seine Augen zeigten keinerlei
Unsicherheit.
„ Meine Mutter war König Lions Tochter
und
ich
bin ihr
jüngster Sohn!“
„Du meinst, du …“
„Ich bin eine lebende Leiche!“, fauchte er, „ doch ich atme, bin
hier auf diesem Schiff und schmuggle die Waffe meiner Ahnen
in das Land meiner Erzfeinde!“
„ Nein“, stammelte Vell, „ du bist nicht wie sie. Du würdest
nie…“
„Ich würde alles tun, um dich zu beschützen! Aber sie wissen
jetzt, dass ich am Leben bin und werden nicht aufhören mich
zu jagen!“
Sie sah seine Augen, seinen Schmerz. Seine Wut.
„ Ich hatte kein Recht dir das an zu tun! Ich war einfach nur
selbstsüchtig!“
„Das ist nicht wahr! Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre
ich längst tot!“
Ihr kamen die Tränen.
„Außer dir habe ich niemanden mehr! Keinen Menschen!“ Willet hielt inne.
Er sah, dass sie weinte.
Die Wut wich aus seinen Augen und er holte sie zu sich in
den Umhang.
Hier war es warm, dunkel. Sie war Zuhause
„ Kein Angst“, sprach er und presste
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