Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
war ein schwerer
Lederbeutel. Er holte ihn hervor und steckte ihn ein. Er
selbst hatte nichts zurückgelegt. Geld hatte ihm nie etwas
bedeutet, genauso wie seine Zukunft. Und nun musste er
sich um beides sorgen.
*
Um einiges reicher, verließ er schließlich die Bibliothek und
machte sich auf den Rückweg. Er kannte das Armenviertel.
Jedes
Haus,
jeden
Winkel, vorbei
an
den
Hunden
und
kränkelnden Kindern. Dabei vermied er es, in ihre Gesichter
zu sehen. Jedes von ihnen konnte ein Späher sein oder eine
Ratte. Er kannte die Regeln. Ein paar Straßen später bog er
deshalb wie gewohnt, in eine Gasse.
Dieses Mal nicht umsonst. Kurz spitzte darauf ein Gesicht
um die Ecke. Es war bleich und pockennarbig.
Bevor der Junge weglaufen konnte, packte ihn Willet am
Kragen
und
presste
ihn
gegen
die
Hauswand.
Sein
Hilfeschrei blieb ein Krächzen. Sein Körper so starr wie ein
Brett.
„ Wen suchst du?“, fauchte er.
Der Junge schüttelte ängstlich den Kopf
„ Sag schon!“ .
Willet ließ seinen Griff noch fester werden
Doch der Knabe rührte sich nicht. Sein Antlitz hatte sich
verzerrt und seine waren Augen geweitet.
Wie es aussah, hatte man ihm Schlimmeres angedroht als
den Tod. Eine Tatsache, gegen die er nichts machen konnte.
Darauf griff er in seinen Mantel und holte einen von Imans
Rubin hervor. „ Siehst du das?“, fragte er.
Der
Blick
des
Jungen
verriet,
dass
er
ihn
am liebsten
gegriffen hätte. Doch Willet wusste das zu verhindern.
„ Deine letzte Chance “, stellte er klar, „ selbst in zehn Jahren
als
mieser kleiner
Beobachter könntest du nicht so viel
verdienen. Also, wer schickt dich?“
„ Ein Mann, ein dunkler Mann.“
„Genauer! War er so groß wie ich? “
Der Junge nickte . „Er war älter. Seine Stimme hörte sich
fremd an. Er hat gesagt, dass er einen jungen Mann sucht, der
sich bewegt wie ein Panther.“
„Was zahlt er dir und wann?“
„Ein Silberstück. Und heute Abend bekomme ich zwei.“
Er hatte Augen wie eine Kobra. Er sieht mich an, als würde ich
bald tot sein.“
„Ist dir sonst etwas aufgefallen? Eine Tätowierung vielleicht?“ „ Sein Gesicht“, stammelte der Knabe , „es ist schwarz.“ Eine düstere Gewissheit ereilte Willet.
Doch er öffnete die Hand des Jungen und legte den Rubin
hinein.
„Du wirst ihm sagen, du hättest mich nie gesehen! versprich
es!“
„ Ja, Herr, ihr könnt euch auf mich verlassen.“
Dann rannte er los und war schon im nächsten Moment um
die Ecke verschwunden.
Willet blieb im Schatten der Hauswand zurück. Er zitterte
am ganzen Körper.
*
Der Marktgraf sah aus, als würde er schlafen. Neben der
Bahre
lagen
unzählige
Messer
und
Balsam
für
die
Bestattung. Sie war schon morgen. Bis dahin musste alles
fertig sein. Seraphim tauchte die Hände in die Schüssel um
sie zu waschen. Dabei hörte er Schritte und sah wie ein
großer Mann eintrat.
Es war der Kardinal, mit einem ernsten Gesicht.
„ Gute Arbeit “, bemerkte er, „ ich bin sehr zufrieden.“
„ Er war wie ein Bruder für mich“, erwiderte Seraphim, „ über
viele Jahre.“
„Und für mich wie ein Sohn. Victor war fehlbar, wie alle
Menschen. Wir müssen ihm vergeben und Frieden finden.“
„Es gibt keinen Frieden! Nicht , solange dieser Bastard noch
unter uns weilt!“
„Es wird Zeit, dass du dieses Mädchen vergisst“, beharrte der
Kardinal, „ sie ist verloren, wie ihre Mutter. “
„Ich habe geschworen für sie zu sorgen, so etwas bricht man
nicht leichtfertig .“
„Wozu dieser Eifer? Er hat sie geschändet, da bin ich mir
sicher. Davon abgesehen, trägst du große Verantwortung.
Der Heilige Vater weiß um dein Erbe. Darum erhebt er dich in
den Stand eines Botschafters.“
„Weshalb? Ich trage keinerlei Würden. “
„Du trägst einen Namen, der dir die Zukunft weist.
Was zwei Feinde eint, ist ein noch größerer Feind und in
Aranien dürstet man nach dem Blut der Osirer.“
„Ich
hörte,
ihr
habt Erkundigungen eingeholt.
Über den
Mann, der sich Drachenennt“
„Das habe ich, obgleich ich nicht weiß, ob die Quelle stimmt.
Er ist ein Angehöriger eines seltenen Stammes. Für jeden
Wehrlosen den er tötet, muss er sich selbst eine Wunde zu
fügen. Daher auch die vielen Narben und Tätowierungen.“
„Eine bekannte Vorstellung“, fand Seraphim, „ den Schmerz
als Strafe. “
„ Es ist eher eine Art Ritus. In Aranien glaubt man, dass die
Geister der Verstorbenen, über eine gewisse Macht verfügen.
Indem er seinen Körper verletzt, verhindert er, dass sie
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