Augen für den Fuchs
Schulter. Kohlund würde seine Fragen stellen. Jetzt würden sie ihm beantwortet werden, da war er sicher. Die Zeit ihres Schweigens war vorbei. Die Frau war mit den Nerven am Ende, konnte nicht mehr. Der Fall Stuchlik war bald geklärt. Aber Kohlund hatte kein gutes Gefühl.
»Stellen Sie Ihre Fragen.«
Nach dem Mittag hatte die Beetz ihn um eine dringende Unterredung gebeten. Kohlund war gerade aus der Kantine gekommen und hatte noch das künstliche Dessert auf seiner Zunge geschmeckt. Er hätte auf den Pudding verzichten sollen, hatte es aber wie immer nicht geschafft. Als er seinen Dienstraum betrat, stand Oberkommissarin Beetz bei seiner Sekretärin am Schreibtisch und diskutierte, eine Tasse Kaffee in der Hand. Sofort wandte die Beetz sich ihm zu und hielt ihm ein Blatt Papier entgegen.
»Den Fall Time is Money können wir als abgeschlossen betrachten und der Abteilung Wirtschaft übergeben. Sollen die sich mit den Zahlen und Konten und Finten des Doktor Bornschein amüsieren.«
»Glückwunsch, Kollegin.«
»Die Nachtschwester im Fall Stuchlik wurde gefunden. Hier ist ihre Aussage.«
Sie wedelte mit dem Papier. Manuela Hohmann suchte etwas in ihrem Schreibtisch und folgte dabei aufmerksam ihrem Gespräch.
»Serafina Karataeva weist jede Beteiligung am Mord zurück. Aber sie hat die Schlinge vom Hals des Toten entfernt, was zum Mordverdacht führte und uns die Probleme mit den doppelt existierenden Frauen ja erst bereitet hat.«
»Die Schwester hat die Schlinge entfernt?«
»Ja. Serafina Karataeva ist illegal aus der Ukraine in Deutschland eingereist und dem dubiosen Doktor Bornschein in die Falle gegangen. Sie musste alles versuchen, dass ihre falsche Identität gewahrt blieb. Sie ist in Panik geraten und hat die Drahtschlinge an sich genommen. Die Strangulationsmerkmale konnte sie nicht beseitigen, so rief uns der unnatürliche Tod des Frank Stuchlik auf den Plan. Und logischerweise stellten wir uns die Frage: Warum sollte eine Nachtschwester den Patienten ermorden?«
»Wer überhaupt? Der Mann war so gut wie tot.«
»Ja.«
»Wir stehen wieder am Anfang.« Kohlund hatte geseufzt. Es wurde ihm zu viel: Alexia mit ihrem Genörgel. Dr. Hackenberger mit seinen ständigen Nachfragen. Und jetzt tötete ihm die Beetz mit dem dubiosen Fall Stuchlik den letzten Nerv.
»Nein. Ich denke, wir sollten uns noch einmal mit der Ehefrau unterhalten«, sagte die Beetz und lächelte.
»Aber Frau Stuchlik hat doch mit dem Tod ihres Gatten gerechnet.«
»Genau. Vielleicht auch genau an diesem Tag. Ich bin sicher, sie hat von dem bevorstehenden Tod gewusst.«
»Sie hat für die Tatzeit ein Alibi. Die Station war verschlossen.« Darüber hatten sie tagelang diskutiert. Kohlund wollte nicht mehr.
»Sie hat es nicht selbst getan.«
»Aber, Frau Kollegin …« Kohlund merkte, dass er sich wie ein Großvater anhörte. Selbst die Hohmann blickte erstaunt zu ihm auf. »Frau Kollegin, Bettine Stuchlik kann die Tat nicht ausgeführt haben. Nur die Nachtschwester war auf Station. Und selbst getan haben kann es der Stuchlik nicht. Sie erinnern sich, wir haben alle diese Möglichkeiten besprochen.«
»Nein.«
Die Beetz ließ nicht ab von ihrer These. Kohlund interessierte nicht wirklich, worauf sie hinauswollte. Er sah Dr. Hackenberger hinter seinem Schreibtisch sitzen.
»Ich denke, wir sollten noch mal im privaten Umfeld ermitteln.«
Kohlund schlug mit der flachen Hand auf die Akte. »Aber das haben wir doch getan, werte Kollegin. Immer wieder haben wir darüber gesprochen und kein einziges Motiv gefunden. Das Erbe ist geregelt, das Testament hat keine seltsame Klausel, die einen Mord rechtfertigen könnte. Außerdem gab es keine Reichtümer, die eine solche Tat rechtfertigen könnten.«
Kohlund sah weder neue Fakten noch eine neue Motivlage, für ihn blieb der Tod des Frank Stuchlik bei aller Sinnlosigkeit rätselhaft. Die Beetz konnte keine neuen Ansätze gefunden haben. Sie hatten diskutiert und diskutiert, die absurdesten Theorien aufgestellt. Verwandte töten keinen Sterbenden, war Kohlund überzeugt, es sei denn, um ihm beim Sterben zu helfen. Immer wieder las und hörte er von solchen Fällen. Auch er hatte noch keine Patientenverfügung geschrieben. Aber er wusste nicht, ob er seine Frau, seine Kinder um den Gnadenschuss bitten könnte, ganz abgesehen davon, ob sie auch wirklich abdrücken würden, wenn es so weit war … Ja, Bettine Stuchlik hatte vom Todeswunsch ihres Gatten erzählt. Aber ihn herbeigeführt
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