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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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gesagt hast!
    Er packt dich am Arm und schüttelt dich: Was weißt du? Sag!
    Du bekommst die Wörter jetzt leichter über die Zunge und sagst ihm alles, was du gesehen hast: Die Männer auf den Schneefeldern, dass sie gerade dort waren, wo der Fels vom Berg gestürzt ist. Dass der Stein heruntergestürzt worden ist, damit er die vier Männer mit der Silberlast trifft. Du bist jetzt ganz sicher, dass es so war.
    Er glotzt immer noch, wortlos.
    Er redet ganz leise: Komm herein, sagt er und fasst dich am Arm. Dann lässt er dich plötzlich wieder los, als wenn du giftig bist, und schaut dir wieder ins Gesicht. Dann legt er den Finger auf die Lippen und nimmt dich mit.
    Du bist zum ersten Mal in der Kammer eines Herrn - das ist ein anderes Leben als deines, sagst du dir. Er sitzt an einem schönen Tisch, du stehst.
    Du musst ihm alles noch einmal sagen. Seine Augen sind jetzt ganz eng, das fällt dir auf. Er sagt nichts und schaut dich immer weiter an.
    Da bricht dir auf einmal der Schweiß aus: Denn du merkst, was für ein Schwachkopf du bist. Du denkst, dass Mörder die Steine herabgestürzt haben, damit sie das Silber bekommen. Die ganze Nacht hast du nichts anderes gedacht.
    Aber wer auch immer Steine herabwirft, das Silber bekommt er nicht! Das überfällt dich wie ein Blitz. Das Silber liegt tief unten im Rhein, da kriegen es hundert Gäule nicht heraus. Daran hast du nicht gedacht, nur an diese Männer auf dem Schneefeld, und dass es kein Zufall sein kann.
    Aber es war doch Zufall, denn ohne Silber keine Mörder! Das ist ja wohl klar.
    Der Schreiber ist stumm und denkt nach, lange, und lässt dich nicht aus den Augen. Da wird sein Gesicht auf einmal ganz rot, und er steht auf und sagt: Rühr dich nicht von der Stelle!
    Dann geht er hinaus und kommt nach kurzer Zeit mit drei Knechten zurück. Die packen dich und drehen dir die Arme auf den Rücken und haben Stricke dabei, mit denen binden sie dir die Hände auf dem Rücken zusammen, dann stoßen sie dich vor sich her, hinaus in den Stall, dort binden sie dir auch die Beine und werfen dich ins Stroh, dazu binden sie dich noch mit einem Seil an einem der Holzständer fest.
    Da liegst du nun! Niemand hat ein Wort zu dir gesagt, auch du hast kein Wort herausgebracht - du warst viel zu erschrocken.
    Du liegst den ganzen Tag, und es wird Nacht, und du liegst immer noch, und du traust dich nicht zu schreien. Und dein Magen knurrt, und du bekommst Durst, aber niemand kommt. Niemand fragt dich. Nur die Fliegen kriechen dir im Gesicht herum und machen dich wahnsinnig.
    Warum hat er dich binden lassen?
    Die Antwort ist nicht schwer: Er denkt, du bist nur zu ihm gekommen, dass er meint, du bist auf seiner Seite; dabei klaust du ihm sein Silber; er denkt, dass du noch mehr weißt, und er wird es schon herausfinden - woher weißt du das mit dem Silber?, fragt er sich. Er denkt, dass alles vielleicht doch kein Zufall war. Kein Unglück - ein Verbrechen. Es ist schief gegangen und nun willst du deinen Kopf retten, denkt er. Sowieso hat er befürchtet, dass etwas Schlimmes geschehen kann -
    Du selbst weißt natürlich, dass du ihn nicht anlügst. Aber sag’s dem Schreiber!
    Gegen Abend kommt er endlich und stellt sich vor dir auf - eigentlich siehst du nur die Beine von ihm. Wieder sagt er kein Wort. Es ist, als ob er wartet, dass du etwas sagst.
    Aber was sollst du sagen. Er hat dich fesseln lassen. Er muss sagen, was er von dir will, was denn sonst? Er muss reden, dann kannst du dich verteidigen -
    Woher weißt du das mit dem Silber?, fragt er.
    Dass wir Silber fahren?
    Neulich hast du so getan, als wüsstest du von nichts. Du weißt aber mehr als die meisten, und jetzt ist das Silber weg. Du hast dich verraten, und du hast mich angelogen. Und wer lügt, der stiehlt auch, war noch nie anders! Ich krieg dich schon!
    Ich habe nicht gelogen! Du schreist fast.
    Der Mann sieht verzweifelt aus, wie er da steht: vier Mann tot, der wertvollste Teil der Ladung weg - vielleicht gestohlen. Du kannst dir vorstellen, was mit dem Schreiber geschieht, wenn er wieder nach Ravensburg kommt. Er ist halb verrückt vor Angst.
    Du wärst nicht der Erste, sagt er langsam. Und er sagt, dass es immer Lumpen gibt - auch bei den Knechten. Und in der Scheune wird es immer dunkler.
    Er schaut dich lange an: Wenn man dir trauen könnte mit deinem ehrlichen Gesicht, sagt er irgendwie niedergedrückt, die Konkurrenz schläft nicht, sie schläft nie! So sagt man bei uns Kaufleuten. Wie viel haben sie dir

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