Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
gegeben, du Mörder?
Du sagst ihm, dass du kein Mörder bist. Aber du sagst es ohne Hoffnung, und da klingt es noch verlogener.
Und dein Kumpan, sagt er, der Heinz, der ist weg! Er ist auch ein Mörder - na, wo ist er? Du sagst es nicht? Wart du nur!
Wo wird er sein? Du willst reden, aber in deinem Hirn sieht es aus wie in einer Rumpelkammer, und du kriegst kein richtiges Wort heraus.
Noch ein ernster Blick, dann geht er.
Das mit dem Silber weißt du ja gerade von diesem Knecht Heinz, und du müsstest das endlich sagen. Aber schon zu spät. Wie kann der Schreiber dich für einen Mörder halten?, denkst du, du warst ja gar nicht auf dem Schneefeld. Freilich, wenn du davon gewusst hast, wenn du den anderen irgendwie geholfen hast - aber du hast ja nichts gewusst, und du hast niemandem geholfen. Du hast auch von niemandem etwas bekommen - aber sag’s ihm!
Diese Männer auf dem Schneefeld, wenn die wirklich Steinbrocken auf den Steig geworfen haben, dann haben sie die Ladung vielleicht doch irgendwie heraufgeholt -
Denn sonst hat das ja mit dem Steinewerfen keinen Sinn. Vier Männer tot! Aber du weißt nicht, wie sie es gemacht haben -
Da unten schießt der Rhein, und diese Felswände kann keiner hinuntersteigen, kein Kaufmann und kein Räuber!
Inzwischen ist es ganz dunkel, und du kannst dich nicht rühren, und dir tut alles weh, und du weißt nicht, was werden soll, und du zuckst bei jedem Geräusch zusammen: Hoffentlich kommt jemand und holt dich endlich heraus, hoffentlich kommt niemand und verprügelt dich oder macht sonst etwas Furchtbares mit dir. Denn: Wart nur!, hat er gesagt.
Aber da ist nichts, was er herausprügeln kann, und das ist noch entsetzlicher! Was, wenn du nichts sagst?
Wahrscheinlich hängen sie dich sowieso auf!
Da geht die Stalltüre. Du hörst Flüstern. Dann packt dich einer und stellt dich auf die Beine. Wieder hörst du Flüstern. Du verstehst aber nichts - es ist Rätisch.
Sie schneiden dir die Hände los und machen deine Beine frei. Du kannst aber nicht gehen, alle Gelenke eingeschlafen. Einer nimmt dich auf den Rücken, sie schleichen mit dir aus der Scheune, wer auch immer das ist - du hoffst, dass du freikommst, und zitterst, dass euch jemand erwischt. Schon kommt ein Hund gelaufen. Du siehst ihn bei dem Mondlicht herantrotten und erschrickst zu Tode. Aber er schnobert den Männern nur an den Beinen herum, du siehst, es sind drei, der Hund kennt sie.
Dir schnattern die Zähne vor Kälte und Angst.
Auf dem Weg reden die Männer miteinander, rätisch. Du hörst jedes Wort und verstehst nichts.
Sie bringen dich nach kurzem Weg in ein Haus. Das Haus ist nicht bewohnt. Ein Kienspan brennt. Der Raum ist kahl und schmutzig. Zwei Männer sind schon da und warten, dass sie dich bringen.
Was wollen die alle von dir?
Warum haben sie dich gefesselt in der Herberge?, wirst du jetzt auf Deutsch gefragt. Du bist immer noch ein Gefangener, das wird dir plötzlich klar. Ihr Deutsch klingt komisch, aber du verstehst alles.
Du weißt es nicht, sagst du. Deine Stimme zittert. Fast musst du weinen.
Reden wir nicht lange drum herum, sagt einer, du weißt, wo der Rest ist. Sonst hätten sie dich nicht gefesselt.
Welcher Rest?, fragst du. Aber du weißt genau, es ist ja nicht alles in die Schlucht geflogen. Du sagst, dass du es nicht weißt. Und das stimmt ja auch. Komisch - auch sie halten dich für einen Lumpen, aber einen nützlichen.
Wieder sagt einer etwas auf Rätisch. Die fünf Männer stehen um dich herum.
Ein Mann mit einem schwarzen Bart kommt nun ganz freundlich auf dich zu. Wir haben dich herausgeholt, sagt er, denn du bist nicht auf denen ihrer Seite. Wir bezahlen gut - auch dich. Auch wenn du noch von anderen bezahlt wirst. Du kannst es uns sagen. Das mit den anderen regeln wir schnell - kannst du dich darauf verlassen.
Du hast nun wirklich fast geheult, wie sie plötzlich so freundlich zu dir sind. Aber vergiss nicht, das sind Räuber! Räuber und Mörder! Dieselben, die du auf dem Schneefeld gesehen hast.
Und weil sie Mörder sind, weißt du: Du bist in größter Gefahr! Es gibt auch noch andere, für die du angeblich arbeitest, und die wollen alle diesen vierten Ballen, wenn du auch sonst nichts begreifst -
Du musst hier raus!
Wir schlagen dir ein Geschäft vor, sagt nun der mit dem schwarzen Bart. Es wird sich lohnen. Ganz sicher.
Sie sind jetzt ganz nahe bei dir.
Woher wussten sie denn da oben auf ihrem Schneefeld, wer unten die wichtigen Ballen trug? Sie
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