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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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nicht.
    Markgräfin Mathilde, kann man annehmen, ging von einem Raum zum anderen und überbrachte Forderungen, Bedingungen, Botschaften.
    Hat sie die einzelnen Formulierungen geändert auf dem Weg zum nächsten Raum? Hat sie einzelne Wörter anders betont, als sie ausgesprochen worden waren?
    Hat Mathilde den Papst so gesetzt, dass er hinuntersehen musste in die Tiefe, in der das Heer drohte? Und den König? Hat sie ihn vor ein geschnitztes Wandkreuz gesetzt, dass er den barmherzigen Erlöser immer vor Augen hatte?
    Oder hat sie es anders angefangen? Hat sie den Papst an den Erlöser erinnert? Und den König an die Verantwortung der Macht?
    Vier Tage ging es so. Die Machthaber saßen, lebten und dachten in getrennten Räumen. Mathilde übersetzte, überlegte, lenkte, verwarf, förderte, steuerte -
    Am vierten Tag wurde der König vom Bann gelöst. Und mit ihm sein ganzes Heer, seine Länder und alle, die zu ihm gehalten hatten.
    Alles war sorgfältig ausgewogen: Der König hatte Buße getan, wie sie ein Sünder tun muss und wie es jeder Untertan des Königs wenigstens einmal im Jahr tat. Der Papst hatte die Buße angenommen, wie es seine Pflicht war als Oberherr der Christenheit, und hatte den vor ihm knienden König vom Bann befreit. Das Gewicht der beiden Schwerter, des weltlichen und des geistlichen, war ausgeglichen worden. Weitere Abmachungen oder Erklärungen hatten die Herren nicht vorgenommen.
    Der König stieg mit seinen Getreuen in seinem schlichten Gewand - doch nicht im Gewand eines Büßers! - hinab zu seinem Heer und sagte beim Abstieg zu Luithard: »Siehst du, die Risse sind geflickt, und ohne Mauerbrecher.« Und unten angekommen, sagte er zur Schwiegermutter: »Mein Königtum ist gerettet. Ich habe gewonnen. «
    Luithard verstand das mit dem Mauerbrecher nicht. Adelheid von Susa dachte an ihre neuen Länder.
    Der Papst sagte zur Markgräfin Mathilde: »Er kniete vor mir, den ich abgesetzt hatte. Er hat die Absetzung anerkannt, obwohl er zuerst mich abgesetzt hatte - ich habe gewonnen.«
     
    Der Chronist des Papstes schrieb den Verlauf so auf, wie ihn künftig die Welt annehmen sollte:
    Barfuß, im Untergewand, ein reuiger Sünder, ohne alle Zeichen königlicher Würde, keinerlei Prunk zur Schau tragend, fastend von früh bis abends, in Erwartung der päpstlichen Entscheidung, stand er drei Tage lang vor dem Tor der Burg und versuchte Einlass zu finden. Heinrich hörte nicht auf, unter vielen Tränen die Hilfe und Tröstung des apostolischen Erbarmens anzuflehen.
    Es wurde ihm gewährt am sechsundzwanzigsten Tag des Januars Anno Domini 1077.
     
    Der König kehrte nach Deutschland zurück. Sein Königtum war gerettet.
    Aber was ist Rettung? Die so sorgsam austarierte Waage blieb nicht im Gleichgewicht: Zeit seines Lebens musste Heinrich um seine Macht kämpfen.
     
    Rudolf von Rheinfelden wurde schon drei Monate später, am 15. März 1077, in der Kaiserpfalz Forchheim zum Gegenkönig gewählt, starb aber am 15. Oktober 1080, nachdem ihm am Tage zuvor in der Schlacht bei Mölsen die rechte Hand abgeschlagen worden war - die Hand, mit der er dem König die Treue geschworen hatte. Konrad, der Sohn, den Heinrich auf die Reise nach Canossa mitgenommen hatte, schlug sich - zum König gewählt - auf die Seite des Papstes gegen seinen Vater, wurde entmachtet und starb jung.
    Heinrich wurde erneut gebannt - es kam jedoch zu keiner Begegnung mehr zwischen ihm und dem Papst. Stattdessen wurde ein Gegenpapst erhoben, der Heinrich IV. 1084 zum Kaiser krönte.
    Der zweite Sohn, Heinrich V., erhob sich ebenfalls gegen seinen Vater.
    Auf der Flucht vor ihm starb Heinrich IV., erneut gebannt, im Jahre 1106 in der ihm treu gebliebenen Stadt Lüttich. Die sterbliche Hülle des Kaisers stand als Leiche eines aus der Kirche Vertriebenen fünf Jahre lang unbestattet in einer ungeweihten Kapelle des Doms zu Speyer.
    Erst im Jahre 1111 wurde Heinrich IV. im unteren Gewölbe des nun vollendeten Doms zu Speyer bei seinen Ahnen beigesetzt.
    Im Jahre 1122 schloss Kaiser Heinrich V. mit dem Papst das Wormser Konkordat, in dem die Einsetzung der Bischöfe im Reich geregelt worden ist.
    Der Papst durfte nun die Bischöfe zwar ernennen, wie er es verlangt hatte, aber er durfte nur einen Bischof wählen, der dem Kaiser genehm war.
    Hatte sich der ganze Streit gelohnt?

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