Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
du bist der! Ein kaputtes Haus geerbt - ich lach mich tot oder krank und so weiter! Du spannst also deine Ochsen ab und bringst sie in den Stall, wo es trocken -
Aber keine Spur: Der Regen tropft auch hier durch, als wenn der Stall eine Zisterne wär. Eigenartig, so ein kalter, leerer Stall.
Im Haus dasselbe. Drinnen ist es kälter als draußen. Überall tropft es, der Fußboden ist eine Schlammgrube, auf dem Tisch steht eine Pfütze. Es riecht nach faulem Stroh und Mist, nach - ach sag’s lieber nicht. Es gibt zwei Truhen, und du ahnst schon: Ja, fast leer! Das heißt, in einer ist ein altes Wams, das stinkt, in der anderen ist Bettzeug - da schläfst du lieber auf dem Mist.
In der Küche kaum ein heiler Teller, ein paar Holzlöffel, von einem ist nur noch der Stiel da, vom anderen der Löffel ohne Stiel. Der Herd ist kalt - was hast du denn gedacht?
Die Mehltruhe - kaum drei Hände voll Mehl.
Die Räucherkammer? Die letzte Hoffnung - aber leer bis auf ein paar braune Enden von Schnüren, an denen mal das Rauchfleisch hing. Und vom Geruch wacht dir im Bauch der Hunger auf und knurrt wie ein Hund.
Aber der Räucherschinken - wie im Märlein: war einmal.
In der Scheune ein verrosteter Pflug - der hat schon lange keine Scholle mehr geteilt, kannst du Gift nehmen. Vielleicht weil Onkel Bernger so lange krank war. Den haben die Nachbarn versorgt - und du siehst deine Schwägerin mit ihrem gelben Gesicht, wenn du daran denkst.
Du kannst bloß noch heulen! Beißt aber die Zähne zusammen.
Was jetzt? Zurück zum Bruder und zur Schwägerin? Nein! Und du denkst an das vierblättrige Kleeblatt in deinem Wams -
Draußen Regen.
Dein Magen jault jetzt wie ein Wolf. Dein Bruder wollte dir noch ein paar Vorräte mitgeben: für den Anfang. Aber die sind dann nicht auf dem Wagen gewesen, konntest du gleich sehen. Die Schwägerin fragen? Du bist also losgefahren mit den Ochsen, und dein Bruder hat dir noch zugewinkt - aber fragen? Nein, du hast schließlich deinen Stolz!
Du überlegst: Bis in einer Woche müssen die Ochsen zurück sein. Bis dahin kannst du mit ihnen pflügen und eggen, wenn du fleißig bist - na und? Du kannst gerade noch die Wintersaat säen, die ist dann nächstes Jahr im August reif. Und wovon lebst du bis dahin?
Der Onkel hat Äcker gehabt - die hast du geerbt. Wo sind die?
Onkel Bernger hatte zwei Kühe, einen Ochsen, ein Kalb, eine Ziege und einige Gänse und Hühner. Das weißt du. Wo sind die alle?
Bei den Nachbarn? Schließlich mussten die Kühe gefüttert und gemolken werden; Hühner, Gänse, Ziegen, brauchen alle zu fressen, wenn sie noch nicht selbst gegessen sind. Aber die Hühner - die würden doch immer noch auf dem alten Misthaufen scharren. Nur, es sind keine da.
Du hast deinen Hof angeschaut und irgendwie gehofft, dass dich niemand sieht - aber es sind ja jetzt deine Nachbarn, die drüben wohnen, auf der anderen Seite von deinem Misthaufen und dem Wald von Brennnesseln!
Und du brauchst fürs Erste Feuer - kriegst du nur beim Nachbarn, dann brauchst du ein Stück Brot. Vielleicht gibt dir ja sogar einer ein Körnlein Salz - nein, sicher nicht, Salz ist zu kostbar.
Deinem jaulenden Magen hast du gesagt, er soll sein Maul halten. Dann hast du ihm gesagt, er soll sich zum Teufel scheren. Er hat nicht nachgegeben. Schließlich hast du ihm versprochen, dass er demnächst etwas kriegen wird. Aber du hast keine Ahnung, was das sein soll. An deine Hühner, die hier irgendwo herumrennen müssten, darfst du gar nicht denken.
Du fasst dir ein Herz und gehst hinüber zum Hof nebenan.
Der Nachbar hat dich schon gesehen, denn er sagt sofort: Deine Kühe sind nicht bei mir, die sind beim Hildebrand. Als wenn du danach gefragt hättest.
Und wer ist der Hildebrand?, fragst du.
Er sagt es dir: Es klingt, als müsstest du wie jeder andere wissen, wo dieser Hildebrand wohnt. Aber der Hildebrand kommt von selbst, ein Bauer mit dickem blaurotem Gesicht - und bald steht das ganze Dorf da. Frauen, die Hände in der Schürze, Kinder, die Finger im Mund.
Du fragst nach deinem Vieh, und die Leute schauen in alle Ecken, und es ist auf einmal still, als wenn du allein im Regen auf dem Dorfplatz stehst.
Dieser Hildebrand sagt dann: Das Vieh deines Onkels ist bei mir, eine Kuh und ein Kalb.
Du weißt, dass es mehr sein müssen. Zwei Kühe müssen es sein, sagst du, ein Ochse, ein Kalb und eine Ziege - da bist du dir ganz sicher. Sie sehen also, dass du weißt, was dir gehört.
Also bekommst du endlich
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