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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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Erbschaft überhaupt erst gesagt. Ein Haus samt Scheune, hat er gesagt, Geräte, Wiesen, Obstgarten, Äcker, Gras- und Laubrecht im Wald. Das hört sich alles gut an! Du bist sechzehn Jahre alt, fast siebzehn - also schon ein richtiger Bauer. Da ist das ein üppiges Geschenk, kannst du laut sagen. Hoffentlich stimmt das auch alles: Man wird sehen.
    Glückspilz!, hat dein großer Bruder gesagt. Und deine Schwägerin hat gefragt, ob ein Knecht so etwas überhaupt erben darf. Sie war dabei um die Nase herum ganz gelb und hat eine spitze Fresse gekriegt und Augen, als wenn sie dich damit erstechen will. Aber der Leutpriester hat gesagt: Es ist in Ordnung, und man soll nicht begehren seines Nächsten Hab und Gut, zehntes Gebot. Und hat ihr dabei unerschrocken ins Gesicht geschaut.
    Und da hat sie nichts mehr gesagt, aber ihre Nase war immer noch gelb.
    Dein großer Bruder hat dir dann seinen Wagen und das Gespann Zugochsen ausgeliehen, und du musst alles schnell wieder zurückbringen, hat deine Schwägerin dir nachgerufen, weil man es selbst braucht.
    Du hast nun deinen Hausrat auf dem Wagen, denn einige Sachen hat dein Bruder dir mitgegeben. Die Nachbarn haben auch manches zusammengetragen - wovon man aber nicht recht weiß, ob die Pfannen, Gefäße, Siebe und Löffel nicht vielleicht schon Abfall sind.
    Das Wichtigste hast du nicht auf den Wagen geladen, sondern in deinem Wams versteckt, zwischen zwei kleinen, gehobelten Holzstücken - ein getrocknetes vierblättriges Kleeblatt!
    Deine Liebste hat es dir gegeben. Und das war ganz heimlich, weil ihr Vater natürlich so wenig über dein Erbe weiß wie du selbst und weil er seine Tochter keinem Bettler gibt, hat er zu ihr gesagt. Und sie heißt Roswitha und kann es mit jedem anderen Mädchen aufnehmen. Und arbeiten kann sie auch. Du hast ihr beim Garbenaufladen zugesehen.
    Immerhin ist jetzt die Gelegenheit deines Lebens, denn einem Knecht gibt der Vater seine Roswitha natürlich nicht. Was sonst? Wer soll deine Frau und deine Kinder füttern, wenn du als Knecht gerade dein eigenes Essen zusammenkratzt und kaum ein eigenes Bett besitzt?
    Also!
     
    Der Regen schüttet nur so, und du weißt nicht, was sein wird, trotzdem hast du die Schnauze ziemlich hoch oben. Und du sitzt auf dem Ochsenkarren, als wenn er dir gehört, grüßt nach links und rechts, als wenn du Kaiser Friedrich Barbarossa persönlich bist. Du kommst durch fremde Dörfer, und die Leute schauen dir nach, vor allem die Mädchen schauen dir nach. Denn du bist ein stattlicher Bursche, der es mit jedem Dorflümmel aufnimmt - sagst du dir.
    Und jede Meile auf dem Weg wird dein Bauerhof größer, den du geerbt hast. Auch das Vieh, das dir gehört, wird immer mehr; die Euter der Kühe sind rund wie volle Sutterkrüge. Du denkst auch an den Hengst, den du dir bald kaufst, und platzt vor Stolz.
    So sind die Leute - verlangen immer alles Mögliche und Unmögliche und dann hockst du da und kannst nur noch plärren.
     
    Und dann kommst du an, und da packt dich dann doch das Heulen: Da steht es, dein großes Erbe - eine verrottete Hütte! Auf dem Dach verfault das Stroh, Fetzen hängen herunter, Sparren gucken heraus und freuen sich, dass sie auch einmal etwas sehen von der Welt.
    Du schaust dich vorsichtig um, ob noch weitere derartige Misthaufen als Bauernhäuser herumstehen, und du siehst, dass das Dorf nur klein ist und dass deine Scheune neben dem Wohnhaus auch lauter Löcher im Dach hat. Aber die andern paar Höfe, die es noch gibt, sehen ganz normal und ordentlich aus. Du zählst noch einmal nach und nimmst dabei deine Finger zu Hilfe: Richtig, das vierte Anwesen links, wenn du ins Dorf kommst, ist dein Erbhof. Das hat der Leutpriester gesagt. Und das vierte Haus links ist das Haus mit dem kaputten Dach!
    Kein Mensch zu sehen weit und breit. Es gießt immer noch in Strömen, du bist nass durch und durch; es ist fast Oktober, und der Wind ist kalt und treibt den Regen gegen dich und deine Ochsen.
    Du hast dich auf einen trockenen Platz im Haus gefreut und auf einen warmen Herd. Du warst auf alles Mögliche gefasst: Dein Onkel Bernger ist ja uralt geworden, über sechzig, und es hat noch gedauert, bis du es erfahren hast, das mit dem Erbe für dich, und dann hast du noch deinen Herrn fragen müssen und dich zuerst nicht getraut und so weiter. Der Hof steht also seit dem Sommer leer. Aber dass es so schlimm ist - kein heiles Dach!
    Du bist jetzt auch ein wenig froh, dass es so schüttet, weil dich keiner sieht: Ach,

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