Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
ihm weh: Seine Frau krank?
Aber was sollte er tun? Noch nie war eine Landgräfin zu Fuß aus der Wartburg gegangen. Noch nie hatte eine Landgräfin einen Korb von der Wartburg hinabgetragen nach Eisenach. Noch nie hatte eine Landgräfin sich so klar den Anweisungen ihres Mannes wider-setzt!
Er sah das Grinsen der Dienerschaft vor sich, wie sie die Hohe Frau mit einem Korb zu Fuß aus der Burg gehen sahen. Er hörte das Gerede in den Gesindekammern: Das ist doch keine Landgräfin! Der braucht man doch nicht zu gehorchen! Und bestrafen wird einen dieses Seelchen deshalb noch lang nicht! Oder: Diener und Herren - alle gleich, da kannst du es sehen. Kein Unterschied! Sollen nur nicht so groß tun, die Herren. Das hört jetzt auf. Die macht es uns vor -
Nein, er konnte es nicht dulden! Er durfte es nicht dulden! Er wäre kein Landgraf, wenn er so etwas duldete.
So trat er - grober, als er es vorhatte - zu seiner schönen Frau, streifte mit einem Blick ihr Gewand, selbst für eine Dienstmagd zu schlecht, und nahm ihr den Korb aus der Hand.
»Also, was ist darin?«
»Brot«, sagte sie und guckte ihm in die Augen. »Brot und Wurst. Es tut uns nicht weh. Und anderen tut es gut. Du solltest sie sehen. «
Er behielt den Korb und ritt damit zurück auf die Burg. Der Korb war überaus schwer und erwies sich unter dem sauberen Leintuch, wie seine Frau gesagt hatte, als ganz gefüllt mit Würsten und Brotlaiben. Auf der Burg übergab er ihn dem Gesinde. Er schickte zwei Reiter nach seiner Frau mit einem ledigen Pferd und atmete auf, als er später sah, wie sie im Hof, vor dem Palas, vom Pferd stieg.
»Lass es bitte«, sagte er am Abend sehr sanft zu ihr. »Bitte!«
»Sie haben heute nichts zu essen gehabt«, sagte sie ebenso sanft und küsste ihn.
Er sagte nichts mehr an diesem Abend.
Aber am nächsten Tag trug er wieder Jägerkleidung und trat hinter demselben Strauch hervor, und sein Pferd war wieder an einen Baum gebunden. Eine Armbrust hielt er nicht in der Hand.
Seiner Stimme war anzuhören, dass sie ihm Leid tat: »Gib den Korb mir«, sagte er, »er ist viel zu schwer für dich.« Er sagte das, weil der Korb am gestrigen Tag tatsächlich sehr schwer gewesen war - Brot und Würste haben ihr Gewicht, und es war ein großer Korb. Und der Weg war steil, und bis Eisenach hinab war es sehr weit.
Wieder hörte er die giftigen Stimmen der Verwandten und der Diener. Doch er wollte das Geschwätz nicht beachten.
Elisabeth zögerte. Aber wie gestern sah sie ihm direkt in die Augen. »Ich darf ihn dir nicht geben«, sagte sie und war schöner denn je.
»Wer verbietet es dir?«, fragte er unsicher, die Hungrigen in der Stadt fielen ihm ein.
Sie schwieg und sah ihm dabei immer weiter in die Augen, als warte sie auf etwas.
»Was ist darin?« Er nahm ihr den Korb aus der Hand und wusste es ja längst und fragte nur, um Zeit zu gewinnen. Er fühlte sich auf einmal nicht mehr als der Gebieter. Er war verwirrt.
Er verstand, dass ihre Augen sagten: Gib ihn mir wieder. Und wollte der Bitte bereits nachkommen.
Da hörte er Elisabeth sagen: »Rosen sind in dem Korb, nur Rosen«, sie schlug die Augen nieder.
Zorn stieg ihm ins Gesicht: »So, Rosen?«, höhnte er laut, und das Herz tat ihm sehr weh dabei. »Wirklich Rosen?« Dabei schlug er das linnene Tuch, das den Korb bedeckte, zurück -
Es wird nun allgemein erzählt, er habe tatsächlich nur Rosen in dem Korb gefunden, lauter Rosen, und irgendwie erwartet man das doch auch - man nannte sie später ja eine Heilige: Die Laibe und die Würste hätten sich wunderbarerweise in Rosen verwandelt! Aber Würste verwandeln sich nicht in Rosen, auch nicht, wenn man sie von hundert Burgen herabträgt und sich tausendmal dafür beschimpfen lässt -
Die Wahrheit ist anders.
In Wahrheit schlug Landgraf Ludwig mit einem raschen Griff das Linnen vom Korb seiner Frau zurück und sah, was darin war: Brotlaibe und Würste.
Der Korb wog schwer in seiner Hand, sehr schwer. Rosen wären leichter gewesen, viel leichter.
Es war ganz still im Wald, nur ein Windhauch ging durch die Blätter.
Da sagte er: »Verzeihung!« Und sah die Würste und das Brot und schaute in die Augen seiner Frau und lächelte: »Woher nimmst du zu dieser Jahreszeit so schöne Rosen?«
Sie lächelte zurück.
»Geh nur«, sprach er weiter und reichte ihr den Korb, »kein Mensch soll dich mehr beleidigen! Ich, der Landgraf, verbiete es.«
Und ich meine, erst jetzt ist es ein wirkliches Wunder und ein viel Größeres und
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