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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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befremdlichen Sitten aus ihrer Heimat Ungarn mitgebracht? War es dort üblich, das Leid der Ärmsten zu lindern?
    Nein, sagten die Kundigen - in Ungarn ist es in solchen Dingen nicht anders als bei uns. Und sie ist ja schon als Vierjährige nach Thüringen gekommen; woher sollte sie also wissen, wie es dort unterhalb der Burg ihrer königlichen Eltern aussah?
    Es ist nicht sicher überliefert, woher Elisabeth ihr Mitgefühl hatte, ihr Herz für Arme. Erst recht ist nicht überliefert, woher sie den Mut nahm, ihren Willen durchzusetzen - ein junges Ding, noch kaum eine Frau zu nennen. Aber sie hatte dieses Herz, ein starkes, selbstbewusstes Herz!
    Wenn ihr wollt, habt ihr hier schon das erste Wunder.
    Und wie hat ihr Mann, der Landgraf, reagiert auf das befremdliche Verhalten seiner Frau, der Landgräfin? Ein Verhalten, das weithin bekannt wurde, über das man bereits an anderen Fürstenhöfen zu reden begann und zu lachen.
    Er hat ihr einfach verboten, dass sie hinabgeht in die Stadt!
    Damals hatte in jeder Familie grundsätzlich der Mann zu bestimmen, in allen Dingen. Das galt in einer Bauernfamilie nicht anders als auf der Burg des Landgrafen von Thüringen.
    Der Landgraf also konnte es nicht dulden, dass sein Hof im ganzen Reich zum öffentlichen Gespött wurde. Denn das Lachen über ihn begann seine Stellung zu schwächen; und die fürstliche Verwandtschaft lachte nicht nur, sondern mahnte, schimpfte, tobte -
    Der Landgraf hatte Elisabeth mit einem Korb aus dem Burgtor gehen sehen, hatte bei der Dienerschaft nach dem Inhalt des Korbes geforscht - Brotlaibe und Würste - und sein Verbot gleich bei ihrer Rückkehr ausgesprochen: »Du wirst keinen einzigen Korb Brot und Würste mehr aus der Wartburg tragen und unten an die Armen verfüttern. Du wirst überhaupt nichts aus der Wartburg tragen. Wenn irgendetwas aus der Wartburg getragen werden muss, dann besorgt das die Dienerschaft. Verstehst du!«
    So redete der Landgraf mit seiner schönen Frau.
    Und nach kurzem Atemholen schloss er an: »Und wenn du überhaupt die Burg verlässt, so gehst du auch nicht zu Fuß! Eine Landgräfin geht niemals zu Fuß - entweder sie lässt sich in einer Sänfte tragen«, sagte er, wobei er unter ihrem Blick verlegen zu werden begann, »oder«, fuhr er eilig fort, »du reitest. Schließlich haben wir beste Pferde im Stall!«
    Er sah ihre Augen auf sich gerichtet und sagte nichts mehr. Er liebte seine Frau.
    Aber da war sein gewaltiges Herrenhaus der Wartburg, aus Steinen gefügt, mehrere Stockwerke hoch mit Säulen und herrlichen Steinmetzarbeiten - ein prächtiger Palast, wie ihn kaum der Kaiser hatte. Und da waren die kostbaren Becher, Pokale, Kelche, Aquamanile aus Gold und Silber, mit den schönsten Verzierungen und in wunderlichen Formen. Es gab kostbar gewebte Teppiche und feine Tischdecken aus Damast. Die Kleider waren aus Samt und Seide, geschmückt mit Gold und Juwelen - alles Zeichen der Macht und des Reichtums, wie sie einem Mann seiner Bedeutung nicht nur zukamen, sondern wie er sie auch besitzen musste: Das galt viel in der Welt der Mächtigen.
    Und so stand sein Verbot fest.
    Es wurde am folgenden Tag sogar noch verschärft: »Am besten, du lässt dich gar nicht mehr ein mit dem Gesindel - eine Landgräfin, die dem Kaiser den Becher reichen dürfte, und das Pack unten am Fuß der Burg! Hör auf damit!«
    Und so waren alle Gebote und Verbote ausgesprochen.
    Aber schon am Tag darauf war Landgräfin Elisabeth, die noch andere Gebote kannte, wieder unterwegs auf dem steilen Pfad hinab von der Wartburg nach Eisenach, mit einem Korb.
    Ihr Mann war ausgeritten, allein, er trug Jägerkleidung und hatte eine Armbrust in der Hand. Sein Pferd war jetzt im Wald an einen Baum gebunden. Hatte er sich auf die Lauer gelegt? Möglich ist es.
    Er erschrak, wie eindeutig ihre Widersetzlichkeit war: »Was hast du da in dem Korb?«, herrschte er seine Frau an. Er hätte auch sagen können: Was gehst du wieder zu Fuß? Habe ich dir nicht gesagt, dass wir Pferde im Stall haben? Oder dass du dich in einer Sänfte tragen lassen sollst? Aber er fragte nur: »Was hast du da in dem Korb?«
    Sein Kopf schwirrte von den erregten Aufforderungen der Verwandten und Freunde: Du musst wissen, wer du bist! Du musst das unterbinden, sofort! Wo kommen wir denn hin, wenn eine Gräfin, eine Landgräfin, bitte sehr, sich einlässt mit dem letzten Pack! Du bist der Mann, du gebietest. Du bist der Landgraf! Die Landgräfin muss krank sein. Krank im Kopf!
    Es tat

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