Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
dazu noch eines, das jeder glauben kann, auch wenn er nicht an Wunder glaubt.
DER VERLORENE SIEG
Im Jahre 1254 war der letzte König aus dem Geschlecht der Hohenstaufen, Konrad IV., in Sizilien am Sumpffieber gestorben. Der Papst hatte schon zuvor geschworen: Niemals wieder darf es einen Kaiser oder König aus dem Geschlecht der Hohenstaufen geben! Die Staufer als Herren in Oberitalien und in Sizilien gleichzeitig - unerträglich für den Herrn im römischen Lateranpalast. Auf diese Weise ermuntert, war schon zu Lebzeiten Konrads IV. von den Landesfürsten Wilhelm von Holland als ein Gegenkönig gewählt worden; doch er kam kaum mehr dazu, die Regentschaft wirklich anzutreten: Zwei Jahre nach Konrads Fiebertod starb auch er - Wilhelm von Holland versank mit seinem Pferd in einem Sumpf. Dann wählten die Fürsten Richard von Cornwall, einen Eng-länder; doch taten sie dies offensichtlich mehr »zum Schein«, denn sie ließen ihn das Reich in ihrer Machtgier gar nicht erst betreten. Man nennt die Zeit nach dem Tod Konrads IV. das Interregnum oder die kaiserlose, die schreckliche Zeit.
Um die Hohenstaufen endgültig ihres Einflusses zu berauben, setzt Papst Clemens IV. den Bruder des Königs von Frankreich, Karl von Anjou, als Herrscher über Sizilien ein. Da macht sich ein junger Mann, der Enkel Kaiser Friedrichs II., mit einem Heer auf nach Sizilien, um mit dieser reichen Insel sein Erbe zurückzuerobern. Er ist sechzehn Jahre alt.
Es war zu Ende. Das Lärmen der Zikaden setzte wieder ein. Trotz der Stirnwunde, die noch leicht blutete, kam eine wohlige Müdigkeit über mich, ein Frieden, der sich bis an den Rand der Gebirge zu dehnen schien, von denen die Ebene eingeschlossen war und die den Blick nach allen Seiten begrenzten. Die Sonne stand schon tief, und der Kamm des Gebirges gegen Abend hin hatte die Farbe von Brombeeren. Wenn der Geruch nach Blut und Staub von einem Schwall des sanften Windes verweht wurde, der immer wieder die Sträucher am Bachlauf versilberte, lag ein Duft von Harz und Kräutern in der Luft, süß und bitter. Die Wunde pochte nur noch dumpf.
Alles in mir drängte, mich beim Wasser in das Gras zu werfen - und nichts mehr sehen, nichts mehr denken, nichts mehr denken, denn die Schlacht hämmerte noch immer in mir. Blut, Staub, Tod -
Doch es war ja der Sieg! Die Feinde waren davongelaufen oder lagen überall tot auf dem steinigen Grund. Aber ich konnte nicht wie die anderen Beute machen, die Toten ausziehen und sie berauben - plötzlich hatte ich meinen Vater vor mir gesehen, dem die Feinde noch im Sterben die Rüstung und die Kleidung ausgezogen hatten. So war es zu Hause auf unserer Burg berichtet worden. Unsere Knechte hatten den Toten in aller Eile nackt begraben müssen. Ich war noch nicht einmal geboren gewesen -
Mein Vater war im Dienste der Staufer gefallen, Anno Domini 1253, in einer Schlacht König Konrads IV. in Oberitalien. Im Herbst des Jahres darauf, als wäre es nicht genug des Unglücks, war auch noch mein großer Bruder umgekommen, als er nach jener Schlacht mit einer Abteilung Ritter zurück über die Alpen wollte, heim auf unsere Burg in Schwaben. Meine Mutter hat den Tod der beiden nicht lange überlebt - ich war noch kein Jahr alt, als sie gestorben ist -
Jetzt war ich fünfzehn, bei Verwandten in Schwaben aufgewachsen, die nach und nach mein Erbe in Besitz genommen hatten - mehr herumgestoßen als erzogen. In den letzten zwei Jahren hatte ich als Knappe einem schwäbischen Ritter gedient, auf seiner Burg, nicht weit von der unseren.
Der Bach vor mir - gefasst in Schilf und kleine Wäldchen - schlängelte sich grün durch die braun verbrannte Ebene. An seinen Rändern hatte der Kampf getobt. Weiter unten war er überspannt von einer kleinen Holzbrücke, bei der das größte Kampfgetümmel gewesen war.
Gelegentliches Rufen, Singen, Lachen, als höre man aus der Ferne ein Fest.
Der Sieger war nun König, König Konrad, Herzog von Schwaben, genannt Konradin, aus dem Geschlecht der Hohenstaufen, sechzehn Jahre alt, ein herzlicher, fröhlicher Junge, hochgewachsen, blond. Er war der Sohn König Konrads IV., für den mein Vater und mein Bruder ihr Leben gelassen hatten.
Siegen macht träge. Dabei hatte ich als Knappe gar nicht gekämpft. Nicht mit dem Schwert: Ich war meinem Herrn nachgelaufen, hatte ihm die Lanze gereicht, den Schild gehalten, Pfeile aufgesammelt. Ich hatte gebetet, für Konradin, für die Seele der Männer, deren Leben durch Lanzenstiche,
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