Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
brauche keinen Otto von Wittelsbach! Er kann heiraten, wen er will. Nicht die Tochter des Kaisers.«
»Du bist noch nicht Kaiser.«
»Ich werde es sein.«
»Du weißt nicht, was kommt.«
»Ich sage dir, was kommt: Du bist die Tochter des Kaisers von Byzanz. Sobald ich römischer Kaiser bin, werde ich die Einheit des Römischen Reiches wiederherstellen: Ostrom und Westrom vereint als Staat Gottes! Dann bin ich der Größte aller Herrscher seit der Zeit des römischen Kaisers Augustus!«
Ich erkannte ihn nicht wieder: Sein Gesicht war fremd, seine Augen kalt.
»Philipp«, sagte die Königin mit sehr sanfter Stimme, als wollte sie ihn aufwecken, »stell du vorerst die Einheit in deinem Deutschland wieder her.« Dabei streichelte sie seine Hand.
Sie winkte mir, zu folgen, und verließ den Raum.
Im darauf folgenden Jahr waren wir im Sommer in Bamberg, wo es eine ausgedehnte Kaiserpfalz gibt, angebaut an den großen Dom, der dem Heiligen des Ostens, Georg, und dem Heiligen des Westens, Petrus, geweiht ist. Es war Sonntag. Die kleine Beatrix war bereits angekleidet und zu ihrer Mutter gebracht. Die größeren Mädchen hielten sich ebenfalls in ihrem Gemach auf, bereit für den Gottesdienst im Dom. Es gab viel Gekicher, weil Maria, die ältere Beatrix und Kunigunde neue Kleider bekommen hatten und sich vor der Messe noch im Spiegel der Mutter betrachteten.
Da stürmte auf einmal ein Mann mit eiserner Rüstung, das Schwert in der Hand, durch die Gänge des Palastes. Der Mann rannte an mir vorüber - ich höre noch heute sein Keuchen und das Klirren seiner Rüstung. Sein Gesicht sah ich nicht, es war durch ein herabgeklapptes Visier verdeckt, wie man sie neuestens hat.
Die ältere Beatrix trat hinter mir aus dem Gemach der Königin und rief: »Du kannst den Helm wieder hochklappen. Ich sehe gut, dass du Otto bist!«
Otto! Ich folgte ihm eilig, voll böser Vorahnung.
Er beachtete niemanden und rannte wie unsinnig weiter. Vor den Gemächern des Königs verharrte er kurz und schien sich zu besinnen, riss dann in einem heftigen Entschluss die Türe auf und stürmte hinein.
Ich wusste, der König war nicht allein, der Bischof von Bamberg wollte ihn soeben zur Messe geleiten, auch der Truchsess von Waldburg war bei ihm.
Zunächst war es noch still im Gemach des Königs, dann aber drang wüster Lärm heraus, Trampeln und Scharren von Stiefeln, als würde gerungen.
Anfangs war noch die helle Stimme des Königs zu hören: »Steck das Schwert in die Scheide, hier brauchst du keine Waffe.«
Ich nehme an, dass er damit sagen wollte, dass niemand in Gegenwart des Königs das Schwert unaufgefordert ziehen darf.
Ich hörte aus der offenen Türe jetzt deutlich die zornige Stimme des Angreifers: »Hier bestraft dich das Schwert für deinen Verrat!«
Der Bewaffnete drang mit diesen Worten auf den König ein und stieß ihm mit aller Kraft das Schwert in den Hals. Jeder der Anwesenden im Raum - es waren noch drei Diener dabei - war vor Schreck und Überraschung wie gelähmt.
Der König stürzte, der Bischof und der Truchsess wollten jetzt den Mörder packen, aber sie hatten keine Waffe, der Truchsess bekam ebenfalls einen Hieb ab, der aber nicht tödlich war, und der Mörder entkam.
Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, dessen Verlobung mit der älteren Beatrix aufgelöst worden war, hatte seinen König umgebracht! Und es war sicher nicht der Schmerz über den Verlust des schönen Mädchens - so leidenschaftlich war der Pfalzgraf nicht! Nein! Es war der Hass wegen des Verlustes der Macht, der diesen gewaltsamen Büffel von Mann so wütend gemacht hatte, dass er jede Treue aufgab und jeden Schwur brach.
Die Witwe zog, in schwarze Gewänder gehüllt, auf die Stammburg ihres toten Mannes, die Burg Hohenstaufen, die in Schwaben hoch vor einem breiten felsigen Gebirge aufragt und wo alles fehlt, was das Herz erfreuen könnte.
Sie war wieder schwanger, trotz der Warnungen des königlichen Leibarztes und der Hebamme. Sie schwieg viel und schien nur noch für das Kind in ihrem Leib Leben zu besitzen.
Die Wehen begannen zögernd und sehr schmerzhaft und zogen sich hin über den folgenden Tag und weit in die darauf folgende Nacht hinein. Es zeigte sich, dass das Kind falsch im Mutterleib lag. Irene konnte es nicht zur Welt bringen. Ihr Gesicht war weiß und nass vor Schweiß, und der Tod hatte es schon verzerrt, aber immer noch war darin etwas wie ein Lächeln zu spüren.
Ihren letzten Blick aus den dunklen Augen werde ich nie
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