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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
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Wort.
    Jedes Geräusch im Saal verebbt. Alle starren auf den jungen Mann, der vor dem König steht, ohne sich zu verbeugen, wie es sich doch selbst für einen Bischof gehört.
    Der junge Mann hat nicht nur seine schwarze Ledermütze auf-behalten, sondern stellt jetzt herrisch einen Fuß nach vorn und stemmt die Arme in die Hüften. Und der Knappe wundert sich, dass der König sich das gefallen lässt.
    »Der darf das. Es ist sein Neffe, der Sohn seines Bruders«, wendet sich sein Herr, der Ritter, zu ihm.
    »Sein Neffe?«
    »Du hast sicher schon von ihm gehört, Johannes von Schwaben, Sohn des Herzogs Rudolf von Schwaben, der vor achtzehn Jahren gestorben ist - da war Johannes gerade geboren.«
    Der Knappe hört kaum hin: Das also ist Johannes, dieser betrogene Johannes, von dem die ganze Welt redet: König Albrecht weigert sich, ihm sein väterliches Erbe zu geben, das Herzogtum Schwaben. Sein Gesicht ist weich, verzogen und glatt, eher das Gesicht eines Kindes oder eines Mädchens. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass dieser verzogen wirkende Junge schon achtzehn ist.
    Die kreischend helle Stimme des königlichen Neffen schallt nun durch den Saal. Verstehen kann Anselm nichts. Der Schein des Kaminfeuers schneidet das Gesicht einen Augenblick scharf aus der Dunkelheit heraus, es sieht darin blutig aus. Man kann er-schrecken - auch wenn dieses kindliche Antlitz an sich harmlos ist.
    Niemand rührt sich. Die Stimme des Jungen steht verloren im Raum. Der König gibt ihm keine Antwort. Der Junge wirkt auf Anselm unbeherrscht, wie er einfach drauflosschimpft, zumindest hört es sich für ihn an wie schimpfen - und das gegenüber dem König!
    Der allerdings bleibt ruhig im Dunkeln sitzen und schweigt.
    So geht das eine ganze Zeit. Der junge Mann scheint immer mehr in Wut zu geraten, je länger der König schweigt. Anselm weiß - sein Herr hat es ihm beigebracht -, dass man allein durch Schweigen einen Gegner besiegen kann.
    Dann aber erhebt sich König Albrecht mit einem heftigen Ruck.
    Wenn der König steht, gilt das für alle Anwesenden. Aber Albrecht zeigt mit einer kurzen Handbewegung an, dass alle anderen sitzen bleiben sollen. Anselm begreift, dass er damit jeden im Saal auf seine Seite zieht, nur Johannes nicht, den kindischen Neffen, der vor dem König jetzt als Einziger steht.
    Auch auf dem Gesicht Albrechts liegt nun der Schein des Feuers.
    Aber er schreit nicht, wie Anselm es erwartet. Sein gesundes Auge blitzt und ist unentwegt auf den Jungen gerichtet. Es sticht wie ein Dolch. Wer kann einem solchen Blick standhalten?
    Der König bleibt ruhig. Er flüstert etwas zu einem Diener in seiner Nähe, dabei gleitet ein winziges Lächeln über sein Gesicht.
    Der Diener geht hinaus. Gespannte Stille.
    Der Junge schaut ihm nach, und etwas wie Hoffnung liegt in seinem Blick.
    Anselm hält es nicht mehr auf seiner Bank. Er würde gerne seinen Ritter fragen, ob es zwischen den beiden wirklich um das Erbe geht. Aber es ist so still im Saal, dass er sich nicht traut.
    Da erscheint der Diener wieder, einen Zweig mit halb offenen Blättern in der Hand, von denen Schnee tropft.
    Der Junge schaut auf den König, auf den Diener, dann auf den Zweig.
    Der König hat bis jetzt noch kein Wort zu dem Jungen gesagt. Jetzt tritt er einen Schritt vor, sein vom Feuer angeleuchtetes Gesicht sieht trotz des schielenden Auges auf einmal viel freundlicher aus, sodass Anselm aufatmet: Wird der König nun die rechten Worte für Johannes finden?
    Albrecht geht zu dem vor ihm Stehenden und legt ihm den grünen Zweig um die Stirn. Er hält den Zweig mit einer Hand zusammen, dass es aussieht, als trüge Johannes einen Kranz wie junge Leute beim Frühlingsreihen.
    Die schwarze Ledermütze fällt dabei zu Boden.
    Der König lässt den Zweig einige Zeit auf der Stirn des überrascht wirkenden jungen Mannes ruhen, dann lässt er ihn fallen.
    Mit lauter Stimme sagt Albrecht nun in die Stille des Saales: »Das ist es, was dir steht, Johannes, kein Herzogshut, ein Kränzchen zum Spielen und zum Tanzen mit den kleinen Mädchen.«
    Das Lachen dröhnt los, wie ein Wasserfall aus großer Höhe herabdonnert.
    Grafen, Bischöfe, Ritter, Äbte, Herzöge und Knechte haben einander an den Armen gepackt, schlagen sich auf Schultern und Schenkel, sie trampeln und stampfen, biegen sich und ringen nach Luft, prusten und brüllen und trompeten, dass ihnen die Tränen herunterlaufen.
    Der Junge dreht sich um und ruft etwas, dann bückt er sich und hebt seine

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