Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
So wird er zum Stärksten im Lande, stark genug, seine Krone erblich zu machen, dann richtet er das Kaisertum wieder auf und dann - dann ist er der mächtigste Mann der Welt.«
Anselm sagt nichts. Macht und Recht -
Der Knecht zeigt voll Stolz auf seinen Ritter, einen stattlichen Herrn mit wallendem Helmbusch in den Farben des Herzogs von Bayern, der weit vorn im Zug reitet: »Wir sind dabei in Böhmen - ihr auch?«
Anselm gibt keine Antwort. Er wird aufmerksam: Noch viel weiter vorn im Zug: Bewegt sich da nicht ein seltsam glänzender schwarzer Fleck?
Die Ledermütze -
Anselm überholt neugierig und mit Mühe ein paar Reiter, indem er sich unhöflich vorbeidrängt, und lässt den Knappen ohne Antwort hinter sich. Er kommt aber schwer vorwärts; dieser königliche Zug ist zäh wie Brei.
Der Junge mit der Ledermütze -
Am Morgen haben sie noch einmal darüber geredet: »Ich wäre auch zornig«, hat Anselm gesagt, bevor sie auseinander geritten sind. Sein Herr weiter vorn im Zug, er hinten im Tross, wie es sich gehört.
»Ich auch«, hatte sein Herr gemeint.
Anselm hat sich gefreut: »Eben!«
Jedoch sein Herr hat hinzugefügt: »Und weißt du, ob er auch das Rechte tut in seinem Zorn?«
Anselm kommt dem Jungen mit der Mütze nicht näher.
Es scheint, als wäre der Mützenmann erst jetzt von der Seite her zur Gruppe um den König gestoßen und drängte sich nun zur Spitze durch. Die Reiter machen ihm Platz. Für Anselm aber, der die schwarze Mütze nur mit den Augen verfolgen kann, sind sie ein endloses Hindernis. Überholen lässt sich kaum jemand, und es wird auch unmöglich - der Pfad zieht sich jetzt in einen Hang hinein, der mit Gestrüpp und Felsen steil zu einem Tal hin abfällt.
Vielleicht will Johannes noch einmal mit dem König über sein Erbe reden! Vielleicht jetzt in aller Ruhe und mit Besonnenheit. Vielleicht kann er dem König zeigen, dass er in der Zwischenzeit nachgedacht hat und dass er sich ab jetzt an die Regeln hält? Etwa, dass man vor einem König die Knie beugt!
Unten ist jetzt ein Fluss mit reißendem und schmutzig gelbem Wasser.
»Die Reuß, da müssen wir hinüber«, hört er einen Ritter in seiner Nähe sagen.
Weit und breit sieht Anselm keine Brücke. Angeschwollen von der Schneeschmelze, führt der Fluss Hochwasser und schießt unbändig dahin.
Der Weg windet sich in steilen Kehren zum Ufer hinab, schon sieht Anselm unter sich den König und seine engsten Vertrauten zur nächsten Kehre reiten. Das ganze riesige Gefolge zieht auf diese Weise unter ihm vorbei, er kann jeden der Herren deutlich sehen.
Der Reiter mit der schwarz glänzenden Ledermütze ist dem König schon ganz nahe.
Bei der nächsten Kehre wiederholt sich das Ganze.
Noch weiter unten, am Fluss, sieht Anselm schon den Fährkahn. Der Zug stockt, weil die Spitze nun bei der Fähre angekommen ist und alle warten müssen, bis eine Gruppe nach der anderen übergesetzt hat.
Es wird sehr lange dauern, viele steigen ab.
Anselm bleibt auf seinem Pferd sitzen und schaut halb auf das, was am Ufer der Reuß geschieht, halb denkt er an den betrogenen Herzog und versucht auch den König zu verstehen.
Ein paar Männer betreten jetzt den Fährkahn. Anselm kann den König an seinem Rappen, seiner etwas schiefen Haltung und der einfachen schwarzen Kleidung erkennen. Der König wird selbstverständlich mit der ersten Gruppe übersetzen.
Bei ihm sind noch drei Männer - einer davon ist der Junge mit der schwarzen Ledermütze!
Anselm wundert sich, dass der König die Nähe des Jungen duldet, nachdem er ihn so sehr der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Freilich, es ist sein Neffe!
Es kann aber auch ein gutes Zeichen sein, denn vielleicht hat sich der König ja bereits entschuldigt, und sie wollen sich auf dem Fährkahn aussöhnen. Nicht gerade der günstigste Ort für so etwas, aber was weiß denn er, auf welche Gedanken so edle Herren kommen!
Die Reuß tobt, Unrat, Zweige, Äste, kleinere Baumstämme schießen vorbei.
Plötzlich stößt der Fährkahn ab! Es geschieht so ruckartig, dass einer der Leibwächter fast in den Fluss stürzt.
Anselm zählt - zusammen mit dem Fährmann und seinen beiden Knechten - sieben Männer auf dem Kahn, unter ihnen der Junge mit der Lederkappe. Fünfzehn, zwanzig Menschen kann er sicher aufnehmen, freilich, man muss die Pferde mitrechnen.
Anselm merkt, dass sich auch die Männer des Gefolges am Ufer wundern, wie rasch die Fähre ablegt. Bewaffnete laufen hin und her. Geschrei ist zu
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