Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Ledermütze auf, was aussieht, als verbeuge er sich zum Schluss doch noch vor dem König, und stürzt hinaus.
»Es ist ungerecht«, sagt Anselm am Abend in der Herberge zu seinem Herrn und schneidet mit dem Dolch an einem Haselstecken herum.
»Es ist schwer zu beurteilen«, sagt sein Herr.
»Nein, es ist leicht«, sagt Anselm mutig, »Johannes ist im Recht. Der König ist im Unrecht!« Er drückt mit dem scharfen Dolch eine Kerbe in den Stock.
»Wenn du es von Johannes aus betrachtest, ist es ein sehr großes Unrecht, dass der König ihm sein rechtmäßiges Erbe nicht gibt.«
»Eben, das darf doch nicht sein, dass ein König -« Ein Splitter wird aus dem Stock herausgeschnitten.
»Schon, aber wenn du es mit den Augen des Königs betrachtest, sieht es anders aus.«
»Gerechtigkeit ist Gerechtigkeit!« Anselm blickt auf die Einkerbungen an seinem Stock.
»Wäre das gerecht, wenn der König Gesetze machen würde, an die sich niemand hält?«
»Dann gäbe es Mord und Totschlag.«
»Dass der König seine Gesetze durchsetzen kann, dazu braucht er Macht, unangefochten. Ohne Macht gibt es keine Ordnung - vor ein paar Jahren war es noch so.«
»Meint Ihr König Adolf von Nassau, dem niemand gehorcht hat und der abgesetzt wurde?«
»Auch ihn. Und davor andere. König Albrecht braucht Macht, sonst tanzen ihm die Fürsten auf der Nase herum. Deshalb gibt er das Herzogtum Schwaben seinem Sohn, auf den er sich verlassen kann, und nicht diesem dümmlichen Neffen. Er will die Königs-krone erblich machen für seine Familie wie in anderen Königreichen - damit das Ränkespiel aufhört, damit der Staat sicher ist. Viele halten das für richtig.«
»Aber er kann doch nicht einfach Unrecht tun - er ist doch der König!« Anselm biegt den Stock, bis ein gefährliches Knacken zu hören ist.
»Würdest du diesem unbeherrschten, kindischen Jungen eines der größten und einflussreichsten Herzogtümer im Reich anvertrauen? Hättest du gedacht, dass er schon achtzehn ist?«
»Hätte König Albrecht ihm das nicht ehrlich sagen müssen?«
»Er hat es ihm gesagt. Genau das hat er ihm gesagt.«
»Herr! Er hat ihn lächerlich gemacht. Und was wird nun geschehen? «
Da - der Stock bricht.
Es ist ein endlos langer Zug von Reitern und Gepäckwagen, der am Tag der heiligen Philipp und Jakob, dem ersten Tag im Mai des Jahres 1308, im Gefolge Albrechts zur königlichen Stammburg zieht, der Habichtsburg bei Brugg im Aargau in der Schweiz.
Die Gegend ist unübersichtlich, überall Hügel, Felsen, Abhänge und kleine Wälder. Ein kalter Tag. Am Himmel treiben Wolken, gelegentlich blitzt die Sonne hervor.
Sehr große Herren reiten in dem Zug, manche haben ein eigenes riesiges Gefolge, kostbare Pferde, Tragtiere, Gepäck. Manchen werden Abts- und Bischofsstäbe nachgetragen.
Anselm sitzt auf einem einfachen Pferd und achtet kaum auf die Reiter um ihn herum. Er denkt noch immer über diese Sache nach, den Jungen mit dem Kränzchen auf der Stirn. Eigentlich geht es ihn ja nichts an, was zerbricht ein Knappe sich den Kopf über derlei Herrenangelegenheiten? Aber trotzdem: Mein Herr Ritter, findet Anselm, ist auch nicht immer gerecht zu mir, doch zumeist geht es schon. Ich lasse mir nichts gefallen - er sieht mich dann so seltsam an, wenn ich mich wehre, ein wenig so, als wäre ich schon erwachsen. Wenn ich Johannes von Schwaben wäre - was würde ich tun? Er sieht den Jungen mit der runden Ledermütze plötzlich in einer Kammer sitzen und weinen -
Vielleicht müsste er eine große Heldentat vollbringen, denkt Anselm. Ich würde mir nichts gefallen lassen! Ich würde - ja was? Der König ist ja immerhin der König -
Aber der König ist im Unrecht! Da kann mein Herr sagen, was er will. Freilich, so ganz Unrecht hat auch er nicht: Die Macht im Reich, ein König braucht Macht -
Neben Anselm erhebt sich eine Stimme - er achtet nicht darauf. Johannes sollte dem König beweisen, dass er jemand ist - ihm einfach zeigen, dass etwas in ihm steckt. Wird er von Albrecht erst einmal geachtet, werden die Großen des Reiches auch anerkennen, was sein Recht ist.
»Bald hat er erreicht, was er will«, sagt die Stimme neben Anselm.
Es ist ein Knecht, der sein Pferd neben seines geschoben hat und auf eine Antwort wartet.
»Wer erreicht was?«, fragt Anselm beklommen.
»Na, König Albrecht natürlich. Sag ich doch die ganze Zeit. Von hier aus geht es direkt in den Krieg, daher die große Versammlung. Er holt seine Herrschaft in Böhmen wieder.
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