Augenzeugen
Toppe.
«Mir brummt der Schädel.» Cox gähnte ausgiebig. «Könnten wir kurz mal Pause machen?»
«Gute Idee», meinte van Appeldorn. «Lasst uns was essen gehen. Es ist zwar noch früh, aber ich habe einen Mordshunger. Vielleicht weil ich so übernächtigt bin.»
Peter Cox schaute ihn konsterniert an. «Ohne mich! Ich kann mittags keine größere Mahlzeit zu mir nehmen, das bringt meinen Biorhythmus völlig durcheinander.»
Van Appeldorn lachte.
«Sei doch kein Spielverderber. Es regnet gerade mal nicht, da können wir uns irgendwo in der Fußgängerzone draußen hinsetzen. Was meinst du, wie die frische Luft dein Gehirn auf Touren bringt», versuchte Astrid ihn zu begeistern. «Du musst ja nichts essen.»
Die Regenpause hatte viele Leute nach draußen gelockt. Holländische Rentnerpaare, die besonders gern donnerstags in Scharen in die Klever Supermärkte und die Innenstadt einfielen, saßen vor den Bistros und Cafés und taten sich an Kaffee und Sahnetorte oder einem frühen Bier gütlich.
Schließlich fanden die vier einen freien Tisch vor der Gaststätte neben dem Burgtheater.
Toppe, van Appeldorn und Astrid hatten ihre Wahl schnell getroffen, nur Cox studierte umständlich und mit großem Ernst die Speisekarte und murmelte vor sich hin: «Das werde ich noch tagelang bitter bereuen, aber gut, ich denke, ein bisschen Fisch kann nicht allzu viel schaden. Ich nehme den Heringstopf. Aber bitte ohne Zwiebeln.»
Der Kellner, der zähneknirschend gewartet hatte, runzelte unwillig die Stirn. «Da sind immer Zwiebeln drin.»
«Ach wirklich? Dann bereiten Sie den Topf also nicht frisch zu?»
«Selbstverständlich ist der frisch!»
«Aber mit Zwiebeln!»
«Wollen Sie jetzt den Heringstopf oder nicht?»
«Na gut», brummte Cox. «Dann picke ich mir die Zwiebeln eben raus.»
Der Kellner ergriff die Flucht.
«Augenblick noch! Der Fisch ist doch wohl gehäutet, oder?» Aber er bekam keine Antwort.
Astrid prustete. «Du hast wirklich eine Meise, Peter. Was macht es für einen Unterschied, ob der Hering mit Haut ist oder ohne?»
Cox grinste. «Es sieht einfach appetitlicher aus!»
Als sie bei Kaffee und Zigarette angekommen waren, zog sich der Himmel wieder zu.
«Wir sollten uns beeilen.» Van Appeldorn zeigte nach oben. «Gleich fängt’s an zu schütten.»
Aber sie hatten Glück. Erst als sie sicher im Büro angekommen waren, fielen die ersten dicken Tropfen.
Toppe trat ans Fenster und spähte durch den Regenschleier. «Also zurück zu Geldek, zurück zu 1991. Da hat sich unser Freund nämlich seine fast schon weiße Weste noch einmal gründlich eingeferkelt. Hatte sich mit zwei Projekten übernommen. Bei einem verpfuschten Bau in Nimwegen war er auf 1,8 Millionen Schulden sitzen geblieben, und gleichzeitig drohte sein Vergnügungsbad mit angrenzendem Ferienhauspark in Doornenburg Pleite zu gehen. Um diesen Laden wieder in Schwung zu bringen, wollte Geldek die Anlage um einen groß aufgemotzten Ponyhof erweitern, nach dem Motto: Immenhof am Niederrhein. Der sollte auf der deutschen Rheinseite in Keeken liegen und durch eine romantische Fährfahrt zu erreichen sein. An das entsprechende Gelände wollte er über einen Zockerkumpan kommen, einen gewissen Peter Verhoeven. Dessen Vater gehörte nämlich ein großer Bauernhof in Keeken, direkt an der Grenze. Das Problem war nur, der Alte wollte nicht verkaufen. Und er hatte sich auch schon jahrelang geweigert, den Hof seinem windigen Sohn zu überschreiben. Also beschloss Geldek – vermutlich zusammen mit Peter Verhoeven, aber das konnten wir nie beweisen – kurzerhand den Erbfall vorzuziehen und heuerte einen Killer an, Kurt Korten, ein Freund aus Duisburger Tagen. Der hat dann übrigens den Falschen erwischt, aber das tut im Augenblick nichts zur Sache. Jedenfalls, als wir Korten endlich weich geklopft hatten und der mit dem Namen seines Auftraggebers rausrückte, war Geldek längst über alle Berge. Seine Firma ging in den Konkurs, während er fröhlich in Südamerika auf der einen oder anderen Million saß, die er vorher noch abgezogen hatte. Übrigens, seine anderen Objekte und Firmen waren zunächst mal von der ganzen Misere nicht bedroht. Die gehörten nämlich allesamt seiner Gattin.»
Cox rubbelte sich verwirrt den kurz geschorenen Schopf. «Und wieso läuft der heute hier frei rum und lässt sich erschlagen?»
«Das», murmelte van Appeldorn, «ist die Hunderttausendmarksfrage!»
«Ganz einfach», sagte Toppe. «Nach ein paar Monaten kam
Weitere Kostenlose Bücher