Augenzeugen
Geldek zurück und stellte sich der Polizei. Wegen betrügerischen Konkurses wohlgemerkt, nicht wegen dem Mord an Verhoeven. Damit wollte er nichts zu tun haben. Seine Rückkehr war wohl vorbereitet. Er hatte glänzende Alibis für jedes Gespräch, das Korten in der Mordvorbereitung mit ihm geführt haben wollte. Es lief letztendlich darauf hinaus, dass Aussage gegen Aussage stand. Wir konnten uns ein Bein ausreißen, der Staatsanwalt hat alles abgeschmettert, nach dem Motto: Das sind doch nur Indizien, bringen Sie mir Beweise.» Toppe kam immer noch die Galle hoch, wenn er sich daran erinnerte.
«Wer war denn der Staatsanwalt?», fragte van Appeldorn.
«Escher. Der ist schon ein paar Jahre nicht mehr in Kleve, aber du müsstest dich an den erinnern. Der galt eigentlich eher als harter Hund.»
Van Appeldorn verzog das Gesicht. «Vielleicht stand der ja bei Geldek auf der Lohnliste. Ist auch egal.» Er drehte sich zu Cox. «Verstehst du jetzt, warum wir so begeistert sind, dass es ausgerechnet Freund Geldek erwischt hat?»
«Doch, doch», antwortete der. «Potenzielle Feinde, wo man auch hinguckt, Konkurrenten, Zockerkreise, Halbwelt … Wir sollten vermutlich inbrünstig beten, dass wir es mit einer aktuellen Geschichte zu tun haben, aber …» Er verschränkte die Hände im Nacken und lehnte sich zurück. «Wenn wir die Vergangenheit von diesem Typen aufrollen, das könnte doch ganz spannend werden.»
«Du hast eindeutig einen Schaden», meinte Astrid kopfschüttelnd. «Es kann dir doch keinen Spaß machen, monatelang im Dreck zu wühlen. Und außerdem, hast du eine Vorstellung davon, was der Fall für eine Öffentlichkeit kriegt?»
«Ach, das hat mich eigentlich noch nie gestört.»
Toppe klappte die alte Akte zu. «Pressekonferenz um vierzehn Uhr, okay? Wir müssen Zeugen finden.»
«In Ordnung», antwortete van Appeldorn. «Arbeiten wir also nach unserer ersten Hypothese.»
Toppe nickte. «Und die erste Anlaufstelle ist Martina Geldek. Warum wollte Geldek nach Duisburg? Mit wem wollte er sich dort treffen und wann? Wann ist Geldek zu Hause abgefahren? Wollte er vorher noch woanders hin? Übernimmst du das, Norbert, zusammen mit Astrid?»
«Klar!»
«Stopp!», griff Cox entschieden ein. «Bevor sich hier auch nur irgendeiner bewegt – wo ist der Bericht von gestern?»
Man hatte ihn im vorigen Monat zum Aktenführer gemacht. Bisher hatte mal der eine, mal der andere den Posten eher halbherzig ausgefüllt, aber Cox nahm diese Aufgabe, wie alles andere in seinem Leben, sehr ernst.
«Ich mach das schon», sagte Toppe. «Wir treffen uns noch einmal vor der Pressekonferenz. Sagen wir um eins.»
Van Appeldorn raffte Block, Stift und Jacke zusammen. «Ich muss heute übrigens pünktlich Schluss machen. Um fünf habe ich ein Partnergespräch bei Ullis Therapeutin.»
Astrid schnallte sich auf dem Beifahrersitz an. «Geht es Ulli denn mittlerweile ein bisschen besser?»
Ulli Beckmann war van Appeldorns Freundin. Sie hatten sich vor drei Jahren kennen gelernt und Hals über Kopf ineinander verliebt.
Damals war van Appeldorn noch verheiratet gewesen. Mit vierunddreißig Jahren war er, gegen seine innere Überzeugung, in eine Ehe geschlittert. Marion, die Witwe eines früheren Kegelbruders, war eine heiße Nummer gewesen, hatte seine wildesten Phantasien übertroffen. Dann war sie schwanger geworden, und er hatte gar nicht anders gekonnt. Er hatte sich sogar zu einem halben Jahr Erziehungsurlaub überreden lassen, in dem es ihm gegen seine Erwartungen gut gegangen war, den er sogar genossen hatte. Später hatte sich seine Tochter zu einem herrischen, raffgierigen, egoistischen Monster entwickelt, ihrer Mutter nicht unähnlich.
Als er Ulli traf, hatte ihn seine Ehe, in der es kaum noch etwas anderes gegeben hatte als Enttäuschungen, Schuldzuweisungen und Bitterkeit, schon lange zermürbt. Aber erst mit Ulli an seiner Seite war ihm der Absprung aus diesem bedrückenden Leben leicht gefallen. Sie waren zusammengezogen und hatten gerade angefangen, ihrem Glück wirklich zu trauen, als Ulli zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen war. Terroristen hatten sie mehrere Tage lang in einer Kiste gefangen gehalten, und bei ihrer Befreiung hatte sie nicht nur zusehen müssen, wie zwei Menschen auf abscheuliche Weise direkt neben ihr getötet wurden, sondern war auch selbst nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Van Appeldorn hatte sofort Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um einen Therapieplatz zu
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