Augenzeugen
Brille wieder. «Eine letzte Sache noch, dann muss ich zu meinen Steinen zurück. An der hinteren Stoßstange des Unfallwagens gibt es eine ganz frische Impression mit Absplitterungen und Spuren von schwarzem Kunststoff.»
«An der hinteren Stoßstange?», hakte Toppe nach.
Van Gemmern nickte.
«Und welche Art von Kunststoff?»
«Das kann ich in unserem Labor leider nicht analysieren. Aber ich schicke die Stoßstange heute noch ein. Vielleicht haben die beim LKA ja gerade ein Sommerloch.» Seine Mundwinkel zuckten. «Dann können wir bestimmt schon in sechs bis acht Wochen mit einem Ergebnis rechnen.»
Und damit war er wieder verschwunden.
«Irre ich mich, oder hat der gerade einen Scherz gemacht?», meinte Cox verblüfft.
Van Appeldorn befestigte die Fotos, die van Gemmern gebracht hatte, neben seiner Skizze, und es blieb eine Weile still. Jeder versuchte, seine Eindrücke vom Tatort und von der Leiche zu sortieren.
Schließlich nahm Toppe den Faden von vorhin wieder auf. «Zumindest einen sicheren Schluss können wir aus Geldeks Verletzungen ziehen: Der Täter ist Rechtshänder.»
Astrid betrachtete nachdenklich die Unfallskizze. «Also, wie muss ich mir das vorstellen?», meinte sie langsam. «Geldek fährt auf diesem Weg. Kurz bevor es wieder zur Deichstraße hochgeht, kommt ihm, mit hoher Geschwindigkeit vermutlich, ein anderes Auto entgegen. Geldek muss ausweichen – nach links, denn rechts ist der Damm – und prallt gegen das Gatter.»
«Dabei trägt er nur leichte Verletzungen davon», ergänzte Toppe.
Astrid knabberte an ihrem Daumennagel. «Geldek sieht rot und rastet aus. Wir wissen ja, dass ihm so was schon öfter mal passiert ist, zumindest früher. Er schnallt sich ab, macht die Tür auf …»
«… springt aus dem Wagen und geht auf den Rowdy los», führte van Appeldorn ihren Satz fort. «Aber der wehrt sich, und zwar nicht zu knapp. Muss ganz schön kräftig sein, der Kerl.»
«Meinst du? Ich weiß nicht … Vielleicht war er nur in Panik», entgegnete Astrid. «Ich meine, der Tritt ins Gemächt, der Biss in die Hand, das sieht mir doch eher nach Verzweiflung aus.» Sie schaute sich noch einmal die Fotos von Geldeks Hand mit den Bissmarken an. «Das ist eine komische Stelle.»
«Hab ich auch zuerst gedacht», bestätigte Toppe, «aber inzwischen kann ich mir vorstellen, was abgelaufen ist. Ich glaube, Geldek hat versucht, dem Mann die Luft abzudrücken.» Er ging zu Astrid hinüber. «Steh mal auf, ich zeig’s dir.»
Sie hob zuerst abwehrend die Hände, machte dann aber mit.
«Na ja», meinte sie schließlich skeptisch, nachdem sie mehrere Möglichkeiten durchgespielt hatten, «wenn er Geldeks Hand ein Stück wegzerren konnte und das Kinn gesenkt hat, könnte es vielleicht passen.»
Toppe setzte sich wieder auf seinen Platz. «Ich glaube übrigens nicht, dass dem Täter aus Panik so was wie übermenschliche Kräfte gewachsen sind, Astrid. Wenn du dir die Verletzungen genauer anguckst, war da wohl eher Wut im Spiel.»
Astrid atmete scharf ein und sah ihn gereizt an. «Glaub, was du willst. Ich sehe das anders.»
Van Appeldorn schaute irritiert von einem zum anderen, auch Cox schüttelte leise den Kopf.
Toppe hatte nur kurz die Brauen hochgezogen. «Die Schläge aufs Auge und auf den Unterkiefer sind gezielt und mit großer Kraft geführt worden. Typisch, wenn man jemanden zusammenschlagen will. Auch der Schlag auf den Schädel erfolgte mit großer Wucht.» Er schaute einen Moment ins Leere. «Der Täter greift irgendwann in dieser Prügelei zu einem Stein, der dort liegt. Er, ein Rechtshänder wohlgemerkt, steht mit dem Gesicht zu Geldek und hebt die Hand mit dem Stein. Geldek sieht das und versucht auszuweichen. Deshalb trifft ihn der Schlag von vorn und oben an der linken Schläfe. Geldek fällt nach rechts, und zwar ohne Abwehrbewegung, wie Bonhoeffer an der Art des Armbruches erkennen konnte. Das heißt, er muss durch die Schädelverletzung sofort bewusstlos gewesen sein.»
«Wie groß war Geldek?», fragte van Appeldorn.
Toppe suchte in seinen Notizen. «1,96, dabei 124 kg schwer.»
«Wenn der Schlag Geldeks Kopf von schräg oben trifft, kann der Täter nicht viel kleiner als Geldek sein.»
«Na prima», maulte Astrid. «Wir suchen also einen starken Mann, Rechtshänder, um die 1,90 groß, der ein älteres Auto fährt. Punkt. Oder hab ich was vergessen?»
«Wir haben wahrscheinlich seinen Zahnabdruck und kennen seine DNA», mischte sich jetzt auch Cox ein. «Und
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