Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
Für mich ist es vollkommen offensichtlich. Ich spüre jeden seiner langsamen und gleichmäßigen Atemzüge. Und als er seine Hand von meinem Hals gleiten lässt, durchdringt mich seine Energie wie eine sanfte Liebkosung.
»Anna?«, flüstert er.
Selbst wenn ich Stimmbänder hätte, würde ich jetzt kein Wort herausbringen. Ich bin verdammt froh, dass ich keinen Sauerstoff brauche, denn es hat mir den Atem verschlagen.
Alles, was ich hinbekomme, ist ein Nicken.
Er lehnt sich zu mir herüber und sein Seufzen ist zuckersüß. »Es ist zu schade, dass wir ihr nicht einfach einen Erdnussbutter-Cupcake geben können.«
32
Rei bemerkt nicht, wie unglaublich enttäuscht ich bin.
»Es war dumm von mir, ihr zu sagen, dass du eine Erdnussallergie hast.« Er lehnt sich auf die Seite und knipst das Licht wieder an. »Das hätte vielleicht funktioniert. Warum siehst du so wütend aus?«
Warum? Weil ich im Moment nicht über Erdnussbutter-Cupcakes reden will! Ich will, dass er das Licht wieder löscht und seine Tour über meine Druckpunkte fortführt. Aber ich kann ihm das nicht sagen, also lasse ich mir einen anderen Grund einfallen – und es ist ein verdammt guter.
Weil du wieder im Gefängnis landen könntest, wenn man dich dabei erwischt, wie du ihr Erdnussbutter-Cupcakes gibst.
»Na, dann lasse ich mich eben nicht erwischen.«
Dir hat es im Gefängnis echt gut gefallen, oder?
»Nein, aber denk mal darüber nach. Das erste Mal, als du etwas mit Erdnussbutter gegessen hast, bist du einfach aus deinem Körper geploppt. Vielleicht würde das Taylor auch passieren.
Vielleicht. Du müsstest aber mein Antiallergikum dabeihaben.
»Wie lange?«
Wie lange was?
»Wenn ich es schaffe, ihr etwas mit Erdnüssen unterzumischen, wie lange muss ich warten, bis ich ihr das Antiallergikum gebe? Soll ich warten, bis du ohnmächtig wirst? Dumusst doch eine Chance haben, in deinen Körper zu schlüpfen.« Er überlegt tatsächlich, diesen dämlichen Plan in die Tat umzusetzen!
Rei, die bringen einem das nicht bei, wenn sie einem ein Antiallergikum geben. Sie sagen dir, dass du blitzschnell handeln sollst und dass jede Sekunde zählt. Sie bringen dir nichts über Mutproben bei und erzählen dir auch nicht, wie lange es dauert, bis du stirbst. Wie soll ich denn wissen, ab wann es gefährlich wird?
»Warum bist du immer noch sauer? Ich glaube, das könnte funktionieren.«
Ich glaube, du und Seth, ihr werdet Zellennachbarn in einem Hochsicherheitsgefängnis. Das ist viel zu riskant.
Rei kümmert sich nicht um die Gefahr. »Ich mache mir viel mehr Sorgen um dich. Solange ich das Antiallergikum rechtzeitig verwende, bist du in Ordnung, oder?«
Nicht unbedingt.
»Was meinst du mit ›nicht unbedingt‹«, fragt er besorgt. »Ich dachte das Antiallergikum ist dein Sicherheitsnetz.«
Ich meine, dass ich ins Krankenhaus muss, für den Fall, dass ich einen zweiten Anfall bekomme. Und bisher hatte ich erst einen einzigen Anfall. Ich weiß nicht, ob ein zweiter heftiger oder weniger heftig ausfällt. Es wäre für uns beide riskant. Ich bin dafür, dass wir ihr nur eins überbraten.
»Darf ich die Tastatur benutzen?«
Klar. Aber benutze beide Hände, wenn du ihr damit auf den Kopf haust.
»Sehr witzig.«
Er setzt sich an seinen PC und googelt »allergischer Schock«.Mit einem wütenden Blick in seine Richtung schwebe ich winkend aus dem Raum.
»Warum gehst du? Bist du immer noch sauer?«
Ich habe keine Ahnung, wie ich mich im Moment fühle. Sauer? Verwirrt? Frustriert? Ängstlich? Alles zusammen? Das kommt der Sache am nächsten.
Ich sehe nach meinem Vater. Bis später.
Trotz der vielen Einstiche in seinem Kopf fühlt mein Vater im Moment nicht halb so viel Schmerz, wie er empfinden wird, wenn er erfährt, dass meine Mutter seinen gesamten Alkoholvorrat den Abfluss heruntergekippt hat. Sein Kopf sieht vor lauter Bandagen aus wie der von einer Mumie. An seinem Hinterkopf klebt ein IV. Er steht wahrscheinlich unter starken Schmerzmitteln, und ich vermute, dass er wahrscheinlich auch immer noch ziemlich betrunken ist.
Solange ich ihn kenne, hat er eine tiefgraue Aura, aber jetzt ist sie fast schwarz. Ich habe so viele Jahre damit verbracht, ihn zu ignorieren und zu hoffen, dass er dann einfach verschwindet. Jetzt ist er wirklich weg – zumindest für eine Weile. Wenn ich in den tiefsten Tiefen meiner Erinnerung wühlen würde, dann könnte ich wahrscheinlich Bilder von dem Mann wachrufen, der angeblich meine Füße geküsst und
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