Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
schon
fast als genial gelten könnte. Die einzelnen Ziffern der Zahlenkolonnen
spiegeln den Zahlenwert wider, der nötig ist, um die codierte Ziffer auf Zehn zu
ergänzen. Oder anders gesagt, zieht man von zehn die notierte Zahl ab, erhält
man die codierte Zahl. Ist beispielsweise eine Sieben notiert, lautet ... .“
„Ist die Drei die verschlüsselte Zahl“, ergänzte
Hanson seinen Freund, „richtig?“
„Ja“.
„Prima, wer hat das ausgeknobelt?“
„Einer meiner Leute, ein guter Mann, ich habe
ihn schon vor Monaten zur Beförderung vorgeschlagen. Leider gibt es zur Zeit
keine freien Planstellen“.
„Damit müssen wir alle leben. Aber du sprachst
von Neuigkeiten. Plural. Wie lautet die andere Neuigkeit?“
„Dag, was sagt dir die Abkürzung OTS?“
„O – T – S ? Nee, sagt mir nichts. In welchem
Zusammenhang soll mir OTS etwas sagen?“
„Unser Apotheker war laut Gauck-Behörde bei der
OTS, in der Hexenküche, die der Stasi, Hauptverwaltung Aufklärung, unterstand“.
„Mensch, da hat die Gauk-Behörde ja schnell
reagiert. Macht sich doch bezahlt, wenn alle Bundesanfragen mit dem Vermerk
„Blitz“ versandt werden, was Hagen?“
„Hm, stimmt“.
„Hagen, was meinst du mit Hexenküche?“
„Innerhalb dieser Hauptverwaltung gab es eine
geheime Abteilung, die so genannte Operativ-Technische-Sektion, die OTS eben“.
In dieser Hexenküche wurden ultra geheime Einsatzmittel entwickelt, teuflische
Instrumente zum Töten oder zum Zweck, Menschen außer Gefecht zu setzen“.
„Etwa auch Gifte?“
„Auch Gifte, Dag“.
„Und du glaubst, dass das Gift aus der
Hopfenstraße in dieser Hexenküche zusammengebraut wurde?“
„Genau das denke ich. Schukow hatte bestimmt
noch OTS-Connection, die er nur zu reaktivieren brauchte, um an das Gift zu
gelangen“.
Hansons Augen bekamen einen geistesabwesenden
Blick, so als sähen sie wieder die vier Toten in der Hopfenstraße. „Hm, eine
interessante Perspektive, wir sollten uns den Apotheker schnellstens zur Brust
nehmen“.
„In Berlin sind wir örtlich und sachlich nicht
zuständig, wir können nur gemeinsam mit den Berliner Kollegen aktiv werden“.
„Richtig, ich weiß, Haller soll alles
vorbereiten und uns beweisen, dass er sein Jurastudium zu Recht mit summa cum
laude abgeschlossen hat“. Hanson hob seinen Kopf und zeigte mit seinem Kinn auf
den Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Ich brauche“, fuhr er fort, „aus der Summe
aller bekannten Fakten eine Haftbegründung, dass wir den Apotheker hierher
zerren können, rechtlich gut fundiert und zackig formuliert, so dass weder Voß
noch der Haftrichter unsere Begründung kassieren kann. Keiner darf sich der
Ausstellung verweigern. Ich will den Apotheker auf diesem Stuhl sehen“.
„Knifflig, sehr knifflig, Dag“.
„Ich weiß, Haller wird sich anstrengen müssen.
Er soll sich nicht lange mit dem hinreichenden, sondern gleich mit dem
dringenden Tatverdacht beschäftigen. Aus dem Gesamtgeschehen wird doch
irgendein Strafparagraph auf unseren Apotheker passen“.
„Zum Beispiel?“
„Na, wenn er tatsächlich das Gift an Schukow
geliefert hat, können wir ihn doch an den Eiern packen, mit ...“, Hanson
überlegte kurz, „ ... mit Beihilfe zum Mord, vielleicht sogar als Mittäter oder
Anstifter, Giftbeibringung in mittelbarer Täterschaft oder Nichtanzeige von
Verbrechen, was weiß ich denn, Haller ist der Rechtsgelehrte“.
„Ich spreche mit Haller. Ich bin sicher, der
wird das Kind schon schaukeln, Dag“.
Kapitel 53
Kiel, Polizeipräsidium, Mittwoch, 07.06.1995,
11.20 Uhr
Müde und traurige Augen, als hätten sie das
ganze Leid und Elend dieser Welt geschaut, sahen ihn aus tiefliegenden Höhlen
an. Die Augen schienen Jahrzehnte älter als der Mann, dem sie dienten. Seine
hängenden Schultern und sein gebeugter Rücken zeugten von einem schlechten
Gewissen. Die gerunzelten Brauen vermochten die Angst nicht zu kaschieren, die
in ihm hochstieg, groß musste sie sein, die er ausdünstete. Seine Hände
hinterließen schweißige Abdrücke auf der Schreibtischplatte. Die Stunden seit
seiner Festnahme in Potsdam und die lange Fahrt nach Kiel haben auch nicht zu
seiner Erbauung beigetragen, im Gegenteil. Dieses Häufchen Elend von einem
Apotheker wird sich mit einer Hauruck-Strategie leicht knacken lassen, dachte
Hanson.
„Meine Empfehlungen von Herrn Oberst Schukow!“,
murmelte Hanson und tat so, als sei er noch mit dem Aktenstudium beschäftigt.
„Vom wem,
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