Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Entscheidendes ändern können. Wie Don
Quijote gegen die Windmühlen auszog, zog die Sowjetunion gegen den Kapitalismus
zu Felde. Jeder sollte am Reichtum dieser Erde partizipieren. Leider hatten wir
keinen Erfolg.
Der Briefbogen glitt aus Hansons Fingern und
segelte zu Boden. Er schaute seinen Freund an.
„Gibt es Anzeichen, prä- oder post mortem, die
darauf hindeuten, dass ihm jemand bei diesem Suizid assistiert hat?“
Gerber hob den Brief auf und reichte seinem
Freund wortlos das Papier.
„Alle Spuren am Körper sind für einen
Selbstmörder regelgerecht, keine Entsprechung für ein Fremdverschulden, nichts
Außergewöhnliches, gar nichts. Kein Zweifel, Dag, der Teufel hat sich selbst
gehenkt“.
Kapitel 51
Kiel, Polizeipräsidium, Montag, 05.06.1995,
09.00 Uhr
Wolff drückte die Taste seiner Sprechanlage:
„Röschen haben wir in unseren Reihen jemandem, der russisch spricht?“
„Russisch?“
„Ja, Russisch! Mir ist mit der Post ein
Schreiben auf den Tisch geflattert, mit kyrillischen Hieroglyphen, Russisch
nehme ich an“.
„Spontan fällt mir nur Haller ein, der spricht
russisch. Wie gut der Junge ist, kann ich aber nicht sagen“.
„In Ordnung, Röschen, Haller soll sich bei mir
einfinden, jetzt sofort“.
„Ich rufe ihn gleich an.“
Als Haller das Büro seines Präsidenten betrat,
schlug ihm eine Wolke Tabakqualm entgegen. Der Alte hat sich wieder
eingenebelt, dachte Haller. Nervös kaute er auf seinem Hänger, der zwischen
seinen Zähnen baumelte und schaute mehr hilflos als verstört auf mehrere Bögen
Papier.
„Schön, Herr Haller, dass Sie so rasch kommen
konnten“. Mit einer einladenden Geste wies Wolff auf den Besuchersessel vor
seinem Schreibtisch.
Noch bevor Haller sich gesetzt hatte, wurden ihm
von Wolff die Papiere gereicht.
„Wenn ich richtig informiert bin, Herr Haller,
sprechen Sie russisch und können ...“
„So leidlich, reicht kaum für den Hausgebrauch“,
unterbrach Haller seinen Chef.
„ ... und können mir bei der Übersetzung dieser
Schreiben sicher helfen“.
Haller warf einen Blick auf die Schreiben und
fing zu lesen an.
„Lassen Sie sich Zeit, Herr Haller, ich werde
zwei Kaffee ordern. Trinken Sie ihren Kaffee mit Milch und Zucker?“
„Schwarz“, antwortete Haller geistesabwesend, zu
sehr war er mit der Übersetzung, die vorerst nur in seinem Kopf stattfand,
beschäftigt.
Als der Kaffee serviert wurde, kannte Haller den
Inhalt der Schriftstücke.
„Na, was will uns der namenlose Briefschreiber
mitteilen, sind wir klüger, Herr Haller?“
„Herr Präsident, für eine wortgetreue und
grammatikalisch richtige Übersetzung brauche ich mehr Zeit. Aber was uns der
Anonymus hier zugeschickt hat, ist politisch hoch brisant“.
„Mensch Haller, spannen Sie mich nicht auf die
Folter, sprechen Sie“.
„Es geht um Oberst Schukow und um die Tötung
eines deutschen Staatsekretärs, vermutlich also um den ermordeten Doktor
Beyer“.
Wolff schürzte seine Lippen und ließ mit einem
langanhaltenden Zischlaut erstaunt seine eingeatmete Luft entweichen.
„Donnerwetter, Haller, sehr gut. Was steht im
Einzelnen geschrieben?“
„Mit Verlaub, ich brauche ein russisches
Wörterbuch und ein bisschen Zeit, Herr Präsident. Aber eine kurze
Zusammenfassung kann ich Ihnen jetzt geben“.
„Raus mit der Sprache“.
„Okay, Herr Präsident. Im ersten Schreiben
stellt sich eine Gruppe, die sich Aurora-Komitee nennt und Russland zur alten
Größe führen will, Schukow vor und bittet ihn für Geld, sich und sein Wissen
dieser Gruppe zur Verfügung zu stellen.
Dem zweiten Schreiben, Herr Präsident, ist zu
entnehmen, dass Schukow offensichtlich diesem Komitee dienen will. Er wird von
dieser Gruppe für seinen Entschluss beglückwünscht.
Und im dritten Schreiben wird Schukow
angewiesen, diesen Staatssekretär zu liquidieren, weil man in Moskau fürchtet,
er könnte etwas verraten, was diesem Komitee sehr wichtig ist“.
„Hm“, Wolff schob seinen Bruyère-Hänger vom
linken in den rechten Mundwinkel und blies wieder mächtige Qualmwolken gegen
die Zimmerdecke. „Haller, ist das alles?“
„Ja, Herr Präsident. Meine Zusammenfassung kann
natürlich keinen Anspruch auf Authentizität erheben, dazu bräuchte ich mehr
Zeit“.
„Schon gut, Herr Haller, nehmen Sie sich die
Zeit, die Sie brauchen, und informieren Sie Hanson über den Inhalt dieser
Papiere. Ich danke Ihnen“.
Als Haller sich nicht gleich von seinem Sessel
erhob, schaute Wolff
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