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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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eines
    ihrer Wand-Displays vertieft, dass sie ihn zunächst gar nicht wahrnahm. Er räusperte sich leise, bevor er sie ansprach.
    »Wenn Sie meinen Abschied wollen, können Sie ihn
    haben.«
    Aumonier wandte ihm den Kopf zu, ohne den übrigen
    Körper zu bewegen. »Mit welcher Begründung, Tom?«
    »Das überlasse ich Ihnen. Wenn ich einen Verfahrensfeh-
    ler begangen oder die Lage falsch eingeschätzt habe, brauchen Sie es nur zu sagen.«
    »Wenn Sie einen Fehler gemacht haben, dann den, dass
    Sie sich selbst und Ihre Untergebenen nicht entschieden genug verteidigt haben. Wie hoch war letztlich die Zahl der Opfer?«
    »Sechs«, sagte Dreyfus.
    »Wir hatten schon schlimmere Einsätze. Dass die Perigal eine harte Nuss sein würde, war bekannt. Ich finde eine Opferzahl im einstelligen Bereich durchaus annehmbar, gemessen an dem, was man erwarten konnte.«
    »Ich hatte gehofft, dass es nicht ganz so blutig enden
    würde.«
    »Dafür ist die Perigal verantwortlich, nicht Sie.«
    »Ich glaube, wir sind immer noch nicht fertig miteinan-
    der. Sie sagte zu mir ...« Dreyfus zögerte. Aumonier hatte ohnehin genügend Sorgen, er wollte sie nicht auch noch
    mit seinen Zweifeln belasten. »Ich habe das Gefühl, als wäre eine Rechnung beglichen worden. So sollte man als Präfekt nicht denken.«
    »Es ist nur menschlich.«
    »Sie ist bisher immer durchgekommen, weil wir nicht
    schlau oder nicht schnell genug waren, um eine Inspek-
    tion durchzuführen, solange die Beweise noch frisch waren.
    Aber selbst wenn wir ihr etwas hätten nachweisen können, hätte sie für ihre Vergehen kein volles Jahrhundert Ausschluss verdient.«
    »Wir wissen nicht, ob es diesmal so weit kommt.«
    »Sie glauben, sie schlüpft uns wieder durch die Ma-
    schen?«
    »Das kommt auf die Beweise an. Jetzt ist der richtige Moment, um Ihre brillante neue Expertin einzusetzen.«
    »Ich habe volles Vertrauen zu Thalia.«
    »Dann haben Sie nichts zu befürchten. Wenn die Perigal
    schuldig ist, bleibt der Ausschluss bestehen. Wenn die Beweise nichts ergeben, darf Haus Perigal ins Glitzerband zu-rückkehren.«
    »Mit sechs Personen weniger.«
    »Wenn die Bürger die Verbindung zur Abstraktion verlie-
    ren, geraten sie in Panik. Das ist nicht unsere Schuld.«
    Dreyfus bemühte sich, Aumoniers Gesichtsausdruck zu
    deuten. Er hatte den Verdacht, etwas übersehen zu haben.
    Es war ungewöhnlich, dass sie ihn fragen musste, wie viele Opfer ein Einsatz gefordert hatte: Normalerweise hätte sie sich die Zahlen eingeprägt, bevor er wieder in Panoplia eingetroffen war. Aber Aumoniers Miene war so undurchdringlich wie eh und je und verriet nichts von ihren Gefühlen. Er konnte sich noch erinnern, wie sie vor ihrem Zusammen-stoß mit dem Uhrmacher ausgesehen hatte, wenn sie lä-
    chelte, lachte oder zornig war, aber es fiel ihm zunehmend schwerer.

    »Verzeihung«, sagte er, »aber wenn es nicht um eine Ab-
    mahnung geht ... wozu haben Sie mich dann rufen las-
    sen?«
    »Zur Unterhaltung? Wegen Ihres geschliffenen Mundwerks?
    Aus Sehnsucht nach menschlicher Wärme?«
    »Wohl kaum.«
    »Es ist etwas geschehen. Die Meldung kam herein, wäh-
    rend Sie unterwegs waren. Der Fall ist mindestens so heikel wie die Perigal-Sache. Und dringend. Wir müssen sofort
    handeln.«
    Dreyfus hatte nicht gehört, dass sich etwas Neues zusammenbraute. »Noch ein Ausschluss?«
    »Nein. Das hätte leider nicht mehr viel Sinn.«
    »Wie bitte?«
    Aumonier deutete mit einer Hand auf die Wand, um eines
    der Display-Felder zu vergrößern. Die Fläche füllte sich mit dem Bild eines kugelförmigen Habitats, einem grauen Ball voll verwirrender, mikroskopisch kleiner Strukturen, mit einem Gürtel von Solarzellen im Tropenbereich und riesigen Spiegelflächen an den Polen und um den Äquator. Die Größe war schwer zu schätzen, aber nach Dreyfus' Meinung betrug der Durchmesser nicht weniger als einen Kilometer.
    »Sie werden es nicht kennen. Dies ist eine neuere Auf-
    nahme der Ruskin-Sartorius-Blase, eines Schalenhabitats der fünften Stufe in den hohen Außenorbits. Die Blase ist bisher bei Panoplia nicht aktenkundig.«
    »Was hat sie denn jetzt angestellt?«
    »Dies ist ein ganz neues Bild, vor drei Stunden aufgenommen.«
    Die Ruskin-Sartorius-Blase war entlang der Mittellinie
    aufgeschlitzt, als wäre jemand mit einer Rasierklinge über einen Augapfel gefahren. Der Schnitt hatte das Habitat
    in zwei fast genau gleiche Halbkugeln gespalten. An den Rändern waren die Wände tiefschwarz verkohlt.

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