Aurora
Pro-
zessor anfassen, verliere ich meine Arbeit, meinen guten Ruf, alles, was ich habe.«
»Treten Sie beiseite, Sir«, forderte ihn Thalia auf.
»Es tut mir leid. Ich darf Sie nicht näher heranlassen.«
Der Mann streckte die flache Hand aus. Auf seiner Handflä-
che lag ein mattsilbernes Instrument mit rotem Feuerknopf.
»Die Waffen sind bereits auf Sie gerichtet. Bitte zwingen Sie mich nicht, sie abzufeuern.«
»Wenn Sie uns töten, schickt Panoplia eben andere Prä-
fekten«, sagte Sparver.
Thalia bekam eine Gänsehaut. Sie spürte förmlich den
prüfenden Blick der unsichtbaren Waffen, die nur auf den Daumendruck des Mannes zu warten schienen, um sie einfach auszulöschen.
»Ich werde Sie nicht töten, wenn Sie kehrtmachen und
das Habitat verlassen.«
»Wir gehen erst, wenn wir die Beweise haben.« Sparver
griff an seinen Gürtel, löste den Schaft seiner Hundepeitsche und schüttelte ihn mehrmals. Die Schnur entrollte sich mit scharfem Knall auf volle Länge und schoss über den
Boden.
Thalia unterdrückte das Zittern in ihrer Stimme. »Er hat recht«, sagte sie. »Wir sind Panoplia.«
»Bitte.« Der Daumen des Mannes streichelte den Feuer-
knopf. »Ich werde vor nichts zurückscheuen, um den Pro-
zessor zu schützen.«
Sparver ließ die Hundepeitsche los. Der Schaft blieb, ge-stützt vom eingerollten Ende der versteiften Schnur, auf Hüfthöhe und bewegte sich wie ein Schlangenkopf suchend hin und her. Dann ringelte sich das Ende nach oben und
richtete sich auf den Mann.
Auf seinem Adamsapfel erschien ein hellroter Punkt.
»Ich muss Ihnen eine Frage stellen«, sagte Sparver. »Wie sehr hängen Sie an Ihren Fingern?«
Der Mann holte tief Luft und hielt den Atem an.
»Die Hundepeitsche hat Sie jetzt im Visier«, fuhr Sparver fort. »Wenn sie feindliche Absichten entdeckt - und da
ist sie sehr empfindlich -, stürzt sie sich schneller auf Sie, als ein Nervenimpuls Ihre Hand erreichen kann. Und die
Schnur hat eine scharfe Seite, die üble Schäden anrichten kann.«
Der Mann öffnete den Mund, aber nur ein trockenes
Krächzen kam über seine Lippen. Er spreizte Finger und
Daumen, so weit er nur konnte, und streckte beide Hände aus.
»Sehr vernünftig«, lobte Sparver. »Bleiben Sie so, aber treten Sie vom Prozessor zurück.« Er nickte Thalia auffor-dernd zu. Die Beweissicherung konnte beginnen. Die Hun-
depeitsche blieb an seiner Seite, nur das stumpfe Ende der Schnur folgte dem Mann, als er sich langsam von der Säule im Zentrum entfernte.
Thalia ging auf den Prozessor zu. Es war ein Standardmodell, irgendwann in den letzten zwanzig Jahren eingebaut, und sie wusste genau, wo sie anzusetzen hatte.
»Ich bin Unterpräfekt im Außendienst Thalia Ng«, sagte
sie laut. »Kennung bestätigen.«
»Willkommen, Unterpräfekt im Außendienst Thalia Ng«,
antwortete die Maschine mit der neutralen, geschlechtslosen Stimme aller Prozessoranlagen. »Wie kann ich Ihnen
helfen?«
Thalia rief sich den Einmalschlüssel ins Gedächtnis, den man ihr nach dem Start des Kutters von Panoplia gegeben hatte. »Bestätige Abschaltung der Sicherheitsfunktionen unter Narzissus Acht Palisander.«
»Abschaltung bestätigt. Sie haben jetzt für sechshundert Sekunden freien Zugriff, Unterpräfekt Ng.«
»Sperre Zugang zur äußeren Abstraktion nach beiden
Richtungen.«
»Zugang ist gesperrt.«
Die roten Linien verschwanden. Die Säule zeigte nur
noch blauen Datenverkehr. Kein Signal erreichte oder verließ das Habitat. Prompt wurde der blaue Verkehr stärker.
Die Bürger gerieten in Panik und schickten Notanfragen an den Prozessor.
Thalia warf einen Blick auf den Techniker, der immer noch von Sparvers Hundepeitsche in Schach gehalten wurde.
Seine Implantate standen nun zum ersten Mal in seinem
Leben nicht mehr in ständigem Kontakt mit der Informa-
tionsmatrix außerhalb von Haus Perigal. Er musste sich vorgekommen sein, als hätte ihn eine Guillotine enthauptet.
Sie wandte sich dem Prozessor zu. »Stelle mir in drei Kopien eine Diskette mit einer Übersicht über alle ein- und ausgehenden Datensendungen dieses Habitats in den letzten tausend Tagen zusammen.«
»Disketten sind in Vorbereitung. Bitte haben Sie einen
Moment Geduld.«
Thalia berührte ihr Kehlkopfmikrofon. »Hier Thalia, Sir.
Wir sichern jetzt die Beweise. In zehn Minuten müssten wir wieder bei Ihnen sein.«
Keine Antwort. Sie wartete so lange, wie Dreyfus ge-
braucht hätte, um sein eigenes Mikrofon zu aktivieren, aber
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