Aurora
es kam immer noch nichts.
Sie warf Sparver einen raschen Blick zu. »Ich kriege nichts rein.«
»Vielleicht ist der Bossmann anderweitig beschäftigt«,
sagte Sparver.
»Er müsste sich inzwischen gemeldet haben. Ich mache
mir Sorgen. Vielleicht sollten wir zurückgehen und nachsehen ...«
»Wir brauchen die Datendisketten, Thalia. In fünf Minu-
ten kommen Sie nicht mehr an den Prozessor heran.«
Sparver hatte recht. Der Einmalschlüssel - der ihr zehn Minuten uneingeschränkter Handlungsfreiheit bescherte -
konnte ihr kein zweites Mal Zugriff auf den Prozessor verschaffen.
»Beeile dich«, knirschte sie.
Sie rief Dreyfus ein zweites Mal an, bekam aber noch
immer keine Antwort. Nach einer Ewigkeit spuckte der Prozessor die angeforderten Daten aus einem Schlitz ganz
unten am Sockel. Thalia steckte die dicken Disketten zusammen und befestigte sie an ihrem Gürtel. Es war absurd, aber sie hätte schwören können, dass sie das Gewicht der darauf gespeicherten Informationen spürte. Es hätte Tage gedauert, diese Datenmenge über einen Strahl zu schicken.
»Fertig?«, fragte Sparver.
»Wir haben alles, was wir brauchen. Die lokale Abstrak-
tion kann weiterlaufen.«
»Und wenn nun jemand versucht, den Block zu umge-
hen, den Sie eben angelegt haben?«
»Dann hat er einen toten Prozessor. Wenn er Glück hat,
läuft hinterher die Lebenserhaltung noch, aber an Abstrak-tion ist gar nicht zu denken.« Thalia wandte sich wieder
dem Prozessor zu und gab ihm die Genehmigung, das eben
erteilte Zugriffsprivileg für Panoplia wieder aufzuheben.
»Das war es dann«, sagte sie mit einem unerwarteten Ge-
fühl der Ernüchterung.
»Na also. War doch gar nicht so schwierig.«
»Ich mache mir Sorgen um den Boss.«
»Es liegt nur daran, dass das Ding aus Fels besteht. Der blockiert unsere Signale.« Sparver lächelte den Techniker an. »Wir sind fertig. Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie keine Dummheiten machen, wenn ich die Hundepeitsche zurückrufe?«
Der Mann schluckte krampfhaft und nickte vorsichtig.
»Ich nehme das als >Ja<«, sagte Sparver, streckte die Hand aus und winkte die Peitsche zu sich. Das Schnurende zuckte, der Schaft sprang in Sparvers Pfote, die Schnur schoss laut schnalzend in das Gehäuse zurück.
Sparver tätschelte den Peitschengriff und machte ihn
wieder am Gürtel fest. »Und jetzt sehen wir nach, was der Bossmann treibt.«
Sie fuhren mit der Felgenbahn zurück. Dreyfus war allein und stand völlig reglos inmitten eines Gemetzels, das kaum zu beschreiben war. In einer Hand hielt er seine Spezialbrille, in der anderen die Hundepeitsche.
Thalia riss sich die eigene Brille herunter, um die Szene so zu sehen, wie sie wirklich war. Schreiende Menschen
flüchteten spritzend vor dem Präfekten und seinen Opfern durch das aufgewühlte Wasser. Caitlin Perigals männliche Gäste lagen, umgeben von rosaroten Blutschlieren, zusam-mengesunken im Becken. Der Weißhaarige hatte einen Un-
terarm verloren, der nun, die Hand anklagend auf Dreyfus gerichtet, auf dem marmornen Beckenrand lag. Hinter dem Gelenk wölbte sich die Haut, als hätte eine in den Knochen implantierte Waffe den Durchbruch versucht. Der zweite
Mann zitterte wie in Krämpfen, das Blut lief ihm aus beiden Nasenlöchern, und er starrte mit weit aufgerissenen Augen zur Decke. Nicht weit davon kämpften drei oder vier weitere Gäste mit mehr oder weniger schweren Verletzungen.
Bei so viel Blut - das über die Wasserfälle und Schleusen in alle Becken getragen wurde - konnte man kaum übersehen, wie viele Opfer es tatsächlich waren. Medizin-Servomaten waren bereits vor Ort und versorgten die schwersten Fälle, aber sogar die Maschinen schienen verwirrt.
Caitlin Perigal war noch am Leben, aber sie atmete schwer.
Eine blutende Schramme zog sich vom Mundwinkel bis
zum Ohr über ihre rechte Wange. Ihre Augen waren vor
Wut und Angst so verdreht, dass man nur noch das Weiße
sah.
»Das ist ein Irrtum«, stieß sie hervor. »Sie haben sich geirrt, und das werden Sie büßen.«
Dreyfus drehte sich langsam zu Thalia und Sparver um.
»Haben Sie die Daten?«
Thalias Mund war trocken. »Ja«, stieß sie mühsam her-
vor. Es fiel ihr schwer, die Fassade professioneller Gelassenheit zu wahren.
»Dann haben wir hier nichts mehr zu suchen. Lassen Sie
uns gehen.«
Dreyfus war im Büro des Generalpräfekten kaum bis zur
Mitte gekommen, als ihn die Sicherheitsleine mit einem
Ruck zum Stehen brachte. Jane Aumonier war so in
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