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Aurum & Argentum (German Edition)

Aurum & Argentum (German Edition)

Titel: Aurum & Argentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saskia V. Burmeister
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denke, ich habe inzwischen mein inneres Gleichgewicht dieser beiden unterschiedlichen Wesen gefunden. Ich bin dem Himmel verbunden und gleichzeitig der Erde. Es ist nicht immer einfach, doch wenn Adler und Löwe zusammenarbeiten, dann wird daraus eine tödliche Mischung, wie du beinahe am eigenen Leib erfahren hättest.“ Ein wenig verlegen kratzte er sich am gefiederten Hals. „Was denkst du, würde passieren, wenn meine vordere und meine hintere Hälfte nicht zusammenarbeiten würden?“ Unbeholfen zuckte Leon mit den Schultern, eigentlich könnte dabei nur ein großes Durcheinander entstehen. „Richtig, wenn der Löwe sich am Boden festkrallen würde und der Adler gleichzeitig mit den Flügeln schlägt, um hinauf zu steigen, dann würde ich im Ganzen nicht sehr weit kommen. Ich wäre ein Bildnis der Lächerlichkeit und kein respektierter Jäger.“ Er neigte den Kopf und wisperte verschwörerisch weiter: „Du kannst es mir ruhig glauben, aber bevor ich zum ersten Mal flog, passierte genau dies. Der Löwe in mir hatte Angst vor der Höhe, während es den Adler danach dürstete, endlich die Flügel auszubreiten. Es dauerte seine Zeit, bis der eine Teil in mir begriff, dass er loslassen musste, damit ich endlich vorankam. So überwand die Großkatze in mir seine Höhenangst und ich lernte zu fliegen. Der Adler in mir fand das so herrlich, er mochte gar nicht mehr landen, bis er irgendwann begriff, dass es nun an ihm war loszulassen. Ich landete mühelos und seit diesem Tag arbeiten meine beiden Hälften zusammen und nicht mehr gegeneinander, was für mich ungemein von Vorteil ist.“
    Ein laues Lüftchen tanzte durch die Kronen der Bäume und wiegte die Blüten der Pflanzen sanft hin und her. Friedvolle Stille herrschte im Garten, auch die beiden schwiegen ein Weilchen. Die Geschichte hatte Leon zu denken gegeben, auch er war zweigeteilt, gleichzeitig ein Pferd und ein Zweibeiner. Der Traum ließ vermuten, dass seine Hälften noch nicht richtig zusammenarbeiteten, sondern eher gegeneinander.
    „ Du hast es wahrlich nicht leicht“, gab Orion nach reiflicher Überlegung zu, „Löwe wie Adler sind immerhin Raubtiere, du aber vereinst zwei weitaus gegensätzlichere Wesen in dir. Das Pferd ist ohne Frage ein Fluchttier. Es frisst Pflanzen und wird von allerhand Raubtieren verfolgt. Dass es sich durchaus zu wehren weiß, ist ein anderes Thema. Der Zweibeiner hingegen ist entweder Jäger oder Sammler, oft auch beides. In deinem Fall überwiegt vermutlich der Waidmann und das wird dein Problem sein, während das Pferd bei Gefahr davonläuft, will sich der Jäger lieber dem Nahkampf stellen. Kentauren sind von jeher stolze Krieger, von allen Kampftaktiken ist jedoch davonlaufen immer noch die beste – noch so eine fernöstliche Weisheit.“
    Es dauerte seine Zeit, bis Leon wenigstens annähernd die Hälfte davon „verdaut“ hatte.
    „ Aber was soll ich nun tun?“, jammerte er. „Wenn ich auf meinen Instinkt höre und weglaufe, rettet mir das vielleicht das Leben. Aber es hätte mir nicht dabei geholfen, Flux aus den Fängen der Kobolde und Orks zu befreien. Bisher hat nur das Pferd in mir auf Gefahr reagiert, wenn keine Zeit zur Flucht war, scheute es aus. Meistens habe ich nicht einmal getroffen und wenn sich dann auch noch mein Kopf einschaltete, war es aus. Ich habe immer versucht, mir auszudenken, was ich jetzt unternehmen könnte, doch das hat viel zu lange gedauert. Bisher hatten wir viel Glück und offenbar auch ein paar Schutzengel, sonst wären wir aus all den Schlamasseln nicht heil herausgekommen.“
    Geknickt ließ er den Kopf hängen, in ihm schlummerte ganz sicher nicht ein tapferer Krieger, sondern nur ein Angsthase.
    „ Der beste Kampf ist immer noch der, der nicht ausgetragen wird“, versuchte der Greif ihn aufzumuntern, „du musst die Balance finden zwischen deinen Instinkten und den Strategien, die sich der Zweibeiner in dir ausdenken kann. Ich bin schon einmal Kentauren begegnet und weiß aus eigener Erfahrung, wie mächtig sie sein können, wenn sie im Kampf Hufe und gleichzeitig auch ihren Kopf gebrauchen. Die Burschen, denen ich begegnete, hatten keine Furcht vor mir, im Gegenteil, sie wollten mich zum Gejagten machen. Zu meinem Glück konnten sie nicht fliegen, ich entkam ihnen und seitdem unterschätze ich niemanden mehr, erst recht keine Mischwesen.“ Freundschaftlich stieß er Leon an, „Du wirst die Kraft in dir finden, wenn die Zeit reif ist. Das war bei mir so und bei dir wird

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