Aurum & Argentum (German Edition)
ein anderes Saiteninstrument, und sang dazu ziemlich schräg von einem Einhorn und einem Löwen, die um die Krone als Herrscher über das Tierreich kämpften. Mit seiner kleinen Solonummer hätte er beinahe auch zwei der wenigen Bewohner verschreckt, die sie zu sehen bekamen. Bei dem Duo handelte es sich um eine Mutter mit ihrem Sprössling. Sie waren entfernte Verwandte des Pegasus, hatten aber an Stelle von Vogelschwingen die Flügel von Schmetterlingen. Dass man aber auch mit ihnen wunderbar fliegen konnte, das brachte die Papellequine-Stute gerade ihrem Fohlen bei. Als die Wanderer jedoch vorbeikamen, hielten die beiden magischen Pferde inne und ihre Fühler, die über ihren Augen aus ihrer Stirn wuchsen, zuckten leicht. Beunruhigt schlugen sie mit ihren überlangen Schweifen hin und her und als Calep einen Ton besonders falsch traf, erschreckte sich der kleine Hengst so sehr, dass er kräftig mit den bunten Flügeln schlug und in die Luft aufstieg. Die erwachsene Papellequine schnaubte, sah einmal kurz zu den Jungs und schwang sich dann ebenfalls vom Boden auf. Sehr nachdenklich sah Flux ihnen zu, wie sie hinauf zu den Wolken schwebten, und träumte wieder einmal davon, vielleicht auch eines Tages aus eigener Kraft heraus fliegen zu können.
„ Träume werden wahr, wenn man fast an sie glaubt“, das hatte Flux’ Vater immer zu seinem Sohn gesagt und daher versuchte er auch, es mit ganzem Herzen zu tun. Bei dem Gedanken an seine Eltern musste Flux lächeln und nun sah er mit großer Freude zum Horizont, beobachtete die Sonne beim Untergehen und blickte der Zukunft entgegen, in der womöglich seine Wünsche wahr wurden.
Später trafen sie noch einmal auf die beiden Papellequine, die übermütig Pirouetten in der Luft drehten und andere Kunststücke vollführten. Sie wieherten in ihre Richtung, um dann mit den letzten Sonnenstrahlen erneut in den Wolken zu verschwinden.
Am folgenden Tag zogen sie weiter über das Land und je weiter sie kamen, umso weniger Farne wuchsen aus der Erde. Sie wurden erst abgelöst von Kräutern aller Art und noch später von harten Gräsern, den Binsen. Gen Mittag blieb Orion stehen, richtete sich auf den Hinterbeinen auf und blickte in die Richtung, in die der Kompass seit ihrer Begegnung unbeirrt zeigte.
„ Morgana muss wirklich Großes mit uns vorhaben, wenn sie uns dort hindurchschickt“, murmelte der Greif und auch die anderen waren nicht sehr angetan von dem, was sie erblickten. Düster und feucht erhob sich eine weite Moorlandschaft vor ihnen mit Gräsern und alten Erlenbäumen, von denen einige abgestorben waren.
„ Das kann doch nicht ihr Ernst sein!“, entrüstete sich Calep.
Flux sah ihn schräg von der Seite an. „Du wirst doch wohl keine Angst haben?“, fragte er spitz.
Mürrisch schüttelte sein Kumpel mit dem Kopf, „Natürlich nicht!“
Im Gegensatz dazu trug Leon sein Unbehagen wieder gut sichtbar auf dem „Revers“.
„ Vielleicht will sie uns prüfen, ob wir würdig sind, die Auserkorenen zu sein“, mutmaßte Orion, „ich werde vorangehen und ihr bleibt dicht bei mir.“
Vorsichtig setzte er nun eine Tatze vor die andere und fand so einen sicheren Weg durch den Sumpf. Calep, Flux und Leon folgten ihm mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, das sich verstärkte, je weiter sie vorankamen. Zu allem Überfluss kam auch noch Nebel auf und waberte über die tückischen schlammigen Untiefen. Auch hier herrschte eine Stille wie auf einem Friedhof und Calep nutzte die Gelegenheit, um sich lang und breit darüber aufzuregen, was sich Morgana wohl dabei gedacht hatte, sie hier entlang zu schicken.
„ Ich kann dir die Antwort nicht geben“, brummte Orion, als sich Calep zu wiederholen begann, „ich weiß nur eines: Morgana ist eine wahnsinnig mächtige Frau und eines ist sicher, sie hat sich bestimmt etwas dabei gedacht. Sie ist ein gutes Wesen und würde nie Kinder ohne Grund in Gefahr bringen.“
„ Welche Kinder denn?“, motzte Calep und der Greif seufzte: „Es stimmt ganz eindeutig: nicht jeder, der einen Bart trägt, ist schon Philosoph.“
„ Das habe ich auch nie behauptet!“, beschwerte sich der Knabe. „Aber das einzige Kind hier ist Flux, nicht wahr, Leon?“
Dieser gab keine Antwort und sein Brüderchen war leicht eingeschnappt. Orion schmunzelte nur und dachte sich seinen Teil.
„ Wie alt bist du überhaupt, Herr Professor?“
Es stellte sich heraus, dass Orion nach ihrer Zeitrechnung etwa zwanzig war und somit in
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