Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurum & Argentum (German Edition)

Aurum & Argentum (German Edition)

Titel: Aurum & Argentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saskia V. Burmeister
Vom Netzwerk:
fragte Leon, der es schon immer verstanden hatte, die Gefühle der anderen zu erkennen. „Woran denkst du?“
    „ An meine Familie“, murmelte der Hobgoblin.
    Flux interessierte das nicht sonderlich, er beschäftigte sich damit, seinen Schlafsack und die Decken aus der Packtasche zu zerren.
    „ Ich habe sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen und ich frage mich, wie es ihnen wohl geht. Ich vermisse vor allem meine kleine Schwester. Meine große Schwester zählt schon zwanzig Sommer, sie putzt und pflegt das Anwesen, zusammen mit meiner Mutter. Meine jüngere Schwester hingegen ist erst zehn, sie muss noch nicht arbeiten. Sie spielt mit den Kindern des Grafen und der Gräfin und nimmt mit ihnen beim Hauslehrer Unterricht. Wir beide waren immer unzertrennlich und haben dauernd Unfug gemacht. Ich vermisse sie sehr. Ob sie jetzt wohl am Fenster in ihrem Zimmer sitzt und hinausblickt?“
    Flux kullerte mit den Augen, dieses gefühlsbetonte Gesäusel sprach ihn überhaupt nicht an, sein Bruder hingegen nickte verständig.
    „ Wenn ihr nichts dagegen habt, lege ich mich jetzt aufs Ohr!“, Flux krabbelte in seinem Schlafsack und gähnte demonstrativ. „Ach ja, ehe ich es vergesse, aus einem unerfindlichen Grund war plötzlich eine weitere Decke in der Tasche.“ Damit hatte er nun genug Nettigkeiten für heute geäußert. Er drehte sich zur Seite und schloss die Augen.
    Leon nahm eine Decke und gab sie dem Hobgoblin. „Das trifft sich gut. Ich habe meine Reisetasche nämlich heute früh verloren. Darin befanden sich ein paar Vorräte, meine Decke und ein paar andere Kleinigkeiten“, Calep grinste schelmisch. „Verloren ist eigentlich nicht das richtige Wort. In Wahrheit wurde die Tasche samt Inhalt von einem riesigen Wildschweinkeiler vertilgt. Er hatte doppelt so viele Hauer wie ein normales wildes Borstenvieh. Er war ungelogen so groß, dass man auf ihm hätte reiten können.“
    Leon staunte tief beeindruckt, sein Brüderchen gab einen mürrischen Laut von sich.
    „ Na ja, ist schon ziemlich spät“, lenkte Calep ein, „morgen ist auch noch ein Tag. Da kann ich euch noch ganz andere Geschichten erzählen.“
    Flux ächzte leise, während er langsam hinüber ins Traumland schwebte, „Das kann ja noch heiter werden …“
     
     
     
    Kapitel IV
    Der Wildfang
     
    Die Tautropfen der vergangenen Nacht glänzten auf den Blättern und Blütenständen der Kastanie und die Sonne kitzelte Leon mit ihren Strahlen so lange an der Nase, bis er endlich erwachte. Das Mooskissen unter den ausladenden Ästen lag zwar im Halbschatten, doch die Sonne war schon vor einer ganzen Weile aufgegangen. Ein wenig verschlafen blinzelte der Kentaur in den Tag. Weit und breit war niemand zu sehen, nur der Mantichora lag auf einem Findling und döste.
    „ Wo sind denn alle?“, wunderte sich der Halbstarke. Nur langsam kam er auf die Beine. Der alte Kater schmatzte im Schlaf, vielleicht träumte er von gebratenen Hühnern, die ihm ins Maul flogen.
    „ Flux?“, fragte Leon leise, doch er erhielt keine Antwort. So tappte er erst einmal zu einem schmalen Bach, um sich mit dem kühlen und belebenden Wasser das Gesicht zu waschen. Alsbald war er schon etwas munterer, konnte seinen Bruder und die anderen aber noch immer nicht ausfindig machen.
    Aus einem lichten Mischwald in der Nähe kamen die Hirschkühe herausstolziert, die ihm schon gestern aufgefallen waren. Obwohl es sich um zierliche Damen handelte, besaßen sie alle einen prächtigen Kopfschmuck. „Vielleicht sollte ich sie fragen“, ging es Leon durch den Kopf, doch als er sich näherte, ergriffen die schüchternen Frauenzimmer die Flucht. „Schade“, seufzte er, während er ihnen nachsah. Es half wohl alles nichts, er musste die herumtreiberische Bande auf eigene Faust suchen. „Hoffentlich vertragen sich die drei wenigstens“, Leons Nase wies ihm den Weg zu dem malerischen Hain. Viele Bäume trugen gleichzeitig Früchte und Blüten und die friedliche Stimmung erinnerte ihn an die verzauberten Einhornwälder aus den Märchen seiner Kindheit. In einem solchen Wald herrschte immerwährender Frühling und niemals wurde es Herbst. Leon bildete sich sogar ein, die Vögel von Friede und Freude singen zu hören. „Das ist so wunderschön“, er kam ins Träumen und wurde erst durch einen jähen Aufschrei in die Realität zurückgezerrt.
     
    „ Hilfe! Hilfe! Leon, lauf!“
    Entsetzt riss Leon die Augen auf, als ihm Flux, Calep und Reinecke mit Angst erfüllten Gesichtern

Weitere Kostenlose Bücher