Aurum & Argentum (German Edition)
rechten Vorderbein, außerdem hatte er sich bei dem Sturz den rechten Unterarm aufgeschürft. Doch er steckte es weg wie ein richtiger Mann.
„ Mist, verdammter!“, fauchte der Riesenesel.
„ Na, na, nicht ausfallend werden“, quakte Calep.
Reinecke legte den Kopf schief und zeigte die Zähne: „So gefällt mir dieser wilde Mustang schon wesentlich besser!“
Das Einhorn schnaufte und keuchte, es mühte sich weiterhin, doch es kam nicht frei. Ächzend ließ es die Zunge aus dem Maul hängen.
„ Was ist denn eigentlich passiert?“, wollte Leon nun gerne wissen.
„ Och“, winkte Calep ab, „nichts Besonderes, wirklich.“
Auch Flux machte eine Unschuldsmiene.
„ Wir wollten uns nach einem geeigneten Frühstück im Wald umsehen“, Reinecke leckte sich die Lefzen und sein Magen brummelte vernehmlich.
„ Und dabei sind wir auf eine Lichtung gestoßen“, fuhr der kleine Elf fort, „dort trafen wir auf drei Einhornfohlen. Sie waren überhaupt nicht schüchtern und forderten uns sofort zum Spielen auf.“
„ Also spielten wir fangen!“, kläffte Reinecke dazwischen. „Hei! Das war ein Spaß!“
„ Aber nur so lange, bis die Eltern auftauchten“, seufzte Calep, „da war Schluss mit lustig. Als der Vater uns wild durcheinander rennen sah, bekam er einen furchtbaren Rappel. Er bäumte sich auf, brüllte ohrenbetäubend und kam dann in vollem Galopp auf uns zu! Beinahe hätte er mich aufgespießt!“
Leon juckte sich hinter dem Ohr, so ganz verstand er den Zusammenhang der Geschehnisse nicht: „Aber warum?“
„ Da sind wohl wieder mal die Pferde mit dir durchgegangen, mein Lieber“, bekam der Kentaur unerwartet Antwort. Eine Einhorneselin nahte, sie war wesentlich zierlicher als der Hengst und ihr Kopf war nicht rot, sondern violett gefärbt. Hinterdrein trabten drei Fohlen, zwei Mädchen, die nach ihrer Mutter kamen, und ein Sohnemann, der ganz der Vater war, zumindest vom Äußeren her. Vorsichtshalber stellte sich Leon schützend vor seinen kleinen Bruder, Reinecke drückte sich flach an den Boden und verschwand fast gänzlich im Gras und Calep versuchte seine Unsicherheit hinter einem charmanten Lächeln zu verbergen. Das weibliche Monoceros, so nannte man nämlich diesen gehörnten Wildesel, legte die Stirn in Falten und zog die Nase kraus. „Schau nur, in was für eine Lage dich dein Temperament diesmal gebracht hat!“
Der Hengst ließ reumütig die Ohren hängen, doch seine Gattin war mit ihrer Strafpredigt noch lange nicht fertig. „Unsere Kinder haben mir einstimmig bestätigt, dass sie mit den Fremden nur gespielt haben. Ich bitte dich! Sehen diese drei Kinderchen vielleicht aus wie wilde Bestien?“ Ihr Nachwuchs wieherte schallend und Flux lugte hinter dem Rücken seines Bruders hervor. Die Einhorndame reckte den Hals und kam heranstolziert, dabei lächelte sie die Burschen freundlich an. Das Wohlwollen wich aber aus ihrem Gesicht, als sie bei ihrem Herrn Gemahl ankam. „Was sollen wir denn jetzt nur tun?“, brüllte sie ihn an. „Am besten wäre es wohl, dir dein Horn abzusägen! Vielleicht siehst du ja dann nicht mehr in jedem anderen Lebewesen eine gemeine, blutgierige Bestie!“ Sie schnaubte und man konnte förmlich sehen, wie ihr Gatte bereute. „Er hat es nicht böse gemeint“, wandte sie sich nun wieder an Flux und die anderen, „er ist nur übervorsichtig. Bitte verzeiht ihm.“
Die drei Fohlen kicherten. „Er hat sogar schon Eidechsen verscheucht und Singvögel, aus Angst, dass sie uns was tun!“, lachte der Sohnemann mit dem roten Kopf.
Sein Vater versank fast im Boden vor Scham. „Es tut mir ja auch leid“, klagte er, „aber was soll ich denn machen? Ich will doch nur, dass meinen Kindern kein Leid zugefügt wird.“
Seine Frau zog die Maulwinkel noch immer nach unten. „Ein schönes Einhorn bist du“, brummelte sie, „du hättest besser als Zerberus geboren werden sollen.“ Sie bereute gleich, was sie gesagt hatte, denn sie meinte es eigentlich gar nicht so. „Dein Dickkopf macht nur Ärger“, jammerte sie, „wie sollen wir dich da nur wieder rausbekommen?“
Flux und Leon sahen sich an, derweil berichteten die Zwillingsmädchen von den Heldentaten ihres Papas. Angeblich hatte er schon eine siebenköpfige Schlange, einen dreißig Meter langen Drachen und sogar ein ganzes Dämonenrudel in die Flucht geschlagen.
„ Unserer Vater ist der stärkte Hengst der ganzen Welt!“, verkündeten sie im Gleichklang und ihr Brüderchen nickte
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