Aurum & Argentum (German Edition)
gefährlich und ohne Skrupel. Die meisten von ihnen sterben keines natürlichen Todes, weil sie sich gegenseitig nur allzu oft die Köpfe einschlagen. Die rohe Gewalt und das Recht des Stärkeren sind alles, was bei ihnen zählt. Sie sind eine Schande für uns Zweibeiner. Wie man sieht, sind sie nicht einmal fürsorglich zu ihrer eigenen Brut.“
Wie auf Kommando begann der Kleine zu plärren und Leon legte die Pferdeohren an. „Jetzt ist es aber genug!“, zischte er und versuchte das verschreckte Kleinkind zu trösten.
„ Er hat Recht“, fand der Mantichora, „das ist die Version, die man sich landläufig erzählt. Doch diese Wesen leben fern von Dörfern und Siedlungen und nur die wenigsten Bewohner von >Aurum & Argentum< bekommen je einen zu Gesicht.“
Calep sah ihn triumphierend an: „Kein Wunder, diese Monster fressen ja auch jeden, der das Pech hat, ihnen über den Weg zu laufen!“
Der alte Raubkater gähnte, als er zu ihm herüber sah. „Mag sein, vielleicht sind sie wirklich so wie jene Ungeheuer, von denen man erzählt. Doch vergiss bitte eines nicht, ich bin auch eines.“
Müde legte er das Haupt auf seine Tatzen und die Kinder schwiegen. Nur das Findelkind brüllte ungehemmt. Calep hielt sich die Ziegenohren zu und für ihn war das Thema erledigt, Flux jedoch ging in sich. Der alte Dämonenjäger war sehr weise und seine Worte waren es auch. Denn laut den Erzählungen der Lehrerin waren auch Mantichora lediglich blutgierige Bestien, die jeden sofort mit voller Absicht ermordeten. Waren am Ende vielleicht doch nicht alle Gerüchte wahr?
Kapitel V
Der Abschied
„ Nun ist es aber gut!“, Reinecke wusste nicht mehr ein noch aus, seine Nase wie auch seine Ohren wurden auf eine harte Zerreißprobe gestellt.
„ Ich weiß ja auch nicht weiter“, jammerte Leon, der schon alles versucht hatte, um den Schreihals zu besänftigen, „er hat keinen Durst und aus dem Vorratsbeutel will er auch nichts haben.“
Calep verdrehte die Augen. „Grüne Kobolde sind Fleischfresser.“ Doch leider hatte er von seinem Ausflug nur ein paar Blaubeeren mitgebracht. Mit einem Ruck sprang Reinecke auf die Beine und wetzte hinaus und es dauerte auch gar nicht lange, bis er mit einer schmächtigen Ratte zurückkehrte. Sein großes Vorbild schnarchte da schon seit geraumer Weile, trotz des anhaltenden Lärms.
„ Hier“, der Enfield ließ die Beute auf den Höhlenboden fallen, „wohl bekomme es!“
Kaum hatte der grüne Zwerg das Nagetier gesehen, verstummte er. Was dann folgte, war nichts für zart besaitete Gemüter und von der Ratte blieben nur die Gebeine zurück.
„ Ein Wilder, sage ich doch“, verharrte Calep bei seinem Standpunkt, „dagegen hatte ja die zweiköpfige Bulldogge aus dem Zirkus hochkarätige Tischmanieren.“
„ Stinken tut es nach wie vor“, brummte Reinecke, der sich zusammengerollt hatte, „aber wenigstens ist es nicht mehr so laut.“
„ Nun habe ich aber die Faxen dicke“, sagte sich da Leon, klemmte sich den kleinen Stinker unter den Arm und stapfte hinaus.
Flux wunderte sich, wohin wollte sein Bruder denn so schnell?
Calep lächelte tückisch: „Er geht in Richtung eines Sees, vielleicht will er die Fische füttern.“
Darüber konnte nun auch Flux nicht mehr lachen.
„ Das Wasser tut doch keinem etwas“, Leon war schon der Verzweiflung nahe, als Flux bei ihm eintrudelte. Der kleine grüne Giftzwerg fauchte und zappelte, er wollte sich einfach nicht ins Wasser tauchen lassen, so als hätte er Angst vorm Ertrinken. Der zehnjährige Elf betrachtete das einmalige Schauspiel mit einem lachenden und einem weinenden Auge, er hatte sogar Handtücher aus der Packtasche mitgebracht.
„ Na schön“, Leon holte tief Luft, „dann eben anders!“ Mit einem beachtlichen Satz sprang er mitten hinein in das Vergnügen, der grüne Kobold quietschte, als ihm das feuchte Element um die Ohren spritzte.
„ He!“, Flux hatte von dem Bauchklatscher auch einen Schwall Wasser abbekommen. „Na warte, das kriegst du zurück!“ Er zog die Sandalen und sein Hemd aus, nahm Anlauf und klatschte so ins Wasser, dass er eine phänomenale Flutwelle auslöste. Übung zahlte sich eben aus und er hatte gut Lachen, als er prustend wieder auftauchte. Leon war nun rundum pitschnass und das grüne Findelkind ebenso. Ein wenig empört sah es zu dem frechen Elfen und begann nach dem angenehm warmen Nass zu treten, das ihm nun auf einmal gar nicht mehr so unheimlich zu sein
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