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Aus dem Berliner Journal

Aus dem Berliner Journal

Titel: Aus dem Berliner Journal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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Buch von mir, anderes hat er bei Freunden zu lesen bekommen. Wann ich einmal wiederkomme? Sie möchten ein Gespräch. Eine Jugend, die vor allen Dingen weiss, sie kommt nicht heraus. Keine Hoffnung diesbezüglich, auch wenn einer, wie dieser junge Theologe, zurückkehren will; denn seine Aufgabe sieht er hier. Es steht in keinem Verhältnis, was dieser Partei-Staat sich nützt und was er sich schadet durch diese Reise-Sperre; sie höhlt das Selbstvertrauen aus.
     
    In der Buch-Messe zufällig getroffen: Jurek Becker, Franz Fühmann. Und überraschend steht er da, ohne etwas zu sagen, lächelnd, als würde man sich kennen: Wolf Biermann? Er ist kleiner als erwartet, sehr graziös. Krank? Meine Begleiter sofort etwas vereist; kein Wort zwischen ihnen und Biermann. Wir machen sofort etwas ab. Später in einer Weinstube; Biermann berichtet von einer aktuellen Schwierigkeit mit seinem Freund H. , vorher von einer 52 alten Spanienkämpferin, die ihn, um ihn in den Genuss ihrer Rente zu versetzen, heiraten würde. Dann setzt sich ein Unbekannter an den Tisch, irgendein Gast. Biermann redet unaufdringlich, sehr präsent und sensibel; dazwischen seine Kauz-Mienen; ein völlig unverschüchterbarer Mann, im Staat kaltgestellt, wie man weiss, und der erste Freie seit Tagen, der erste Kommunist.
     
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    53 Nachrichten vom Suhrkamp-Verlag über meine ziemlich horrenden Auflagen. Was (ausser Geld) ergibt sich daraus? Es handelt sich um alte Titel, sowohl Prosa wie einzelne Stücke. Bestätigung? Und was bestätigt es? Und wenn das Gegenteil stattfände: wäre ich dann den eignen Produkten gegenüber vielleicht weniger unsicher? Wenn das Exemplar einer neuen Auflage eintrifft, 100. Tausend oder 500. Tausend, pflege ich es M. nicht zu erwähnen. Was sollte sie daran überzeugen? Halbwegs vergesse ich es, weiss aber doch: hohe Auflagen, wie ich sie nie erwartet habe. Lotterie-Gewinne? Das ist Koketterie, unausgesprochen, ein Kniff der Hilflosigkeit; weder Freude noch ein Schrecken mit Konsequenzen. Ich hätte jetzt (was ich früher nicht hatte) Angst vor einem grossen vollen Saal; aber dass ich Auftritte solcher Art schon seit einiger Zeit unterlasse, ändert nichts am Tatbestand, nimmt mir nicht einmal das Bewusstsein dieses Tatbestandes, dass Produkte, die mich heute wenig und zum Teil überhaupt nicht überzeugen, von vielen gelesen werden noch immer. Vielleicht gibt das doch einen gewissen Halt, nur eben keinen Glanz; dazu müsste man mit seinen Arbeiten selber glücklich sein. Ein Erfolgsschriftsteller also, nicht einmal ein Hochstapler, nur eben am Pranger der Öffentlichkeit; dieser Pranger als Halt. Ein komisches Befinden, eine Pein und zugleich ist man verwöhnt, sehr verwöhnt, nicht nur im wirtschaftlichen Sinn; zum Beispiel kann man so bescheiden sein, ohne zu heucheln. Das stete Bewusstsein, dass man unterschätzt worden ist, könnte produktiver sein. Früher war ich stolzer; der Erfolg, im Gegensatz zum Ruhm und zum Verkanntsein, ist genau das, was den Stolz nimmt. Und das wittern sie eben, kein Wunder.
     
    54 Schwätzer sind aus dem gleichen Stoff gemacht, aber H.   M. Enzensberger hat dabei eine so ungewöhnliche Intelligenz, dass man ihn nicht als Schwätzer bezeichnen kann; anderseits reicht Intelligenz allein nicht aus, um eine Person glaubwürdig zu machen. Wie ich ihn in Erinnerung habe, ist er sehr angenehm, im Gegensatz zu andern, die Glaubwürdigkeit beanspruchen können. Zurzeit ist er in Japan, wie ich der Zeitung entnommen habe; er habe, so sagte er in Japan, kein individuelles Problem, nur Probleme seiner Klasse. Welcher Klasse?
     
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    55 Freundesbriefe aus der Schweiz, bisher zwei; herzlich, und was sonst sollen sie mitteilen. Die Wirkung ist merkwürdig; beide Briefe, jeder in seiner Art, kommen mir zu leicht vor, Kapriolen mit literarischer Qualität, ohne dass diese angestrebt wird. Schreibe ich auch so? Wahrscheinlich schon. Hello! Nur über Grenzen mit Zensur, so scheint es, fällt uns vieles ein, was zu sagen wäre.
     
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    56 Gelegentlich wundere ich mich, dass ich 62 werde. Kein körperliches Gefühl davon, dass es in wenigen Jahren zu Ende ist. Wie bei einem Blick auf die Uhr : So spät ist es schon?
     
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    57 Es gelingt mir fast gar nichts. Täglich sechs bis acht Stunden schreibend, ein hohes Vergnügen dabei. Meistens brauche ich es nicht einmal wiederzulesen, um zu wissen, dass alles unbrauchbar ist. Kein besondrer Schrecken deswegen; es war damit zu rechnen, ich

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