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Aus Dem Dunkel

Aus Dem Dunkel

Titel: Aus Dem Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marliss Melton
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einige dünne Narben, die früher nicht dort gewesen waren, und auch über seinen Augenbrauen. Er war offensichtlich ins Gesicht geschlagen worden, vermutlich sogar mehrfach.
    Lieber Gott! »Fehlt dir … « Sie schluckte schwer. »Hast du sonst noch etwas außer den Gedächtnisstörungen?«, rang sie sich schließlich ab.
    Er zuckte mit den Schultern und wirkte plötzlich sehr unsicher. »Ich bin dünner als jemals zuvor in meinem Leben. Ich habe ein paar Narben.« Er ballte die linke Faust, um seine verkrüppelten Fingernägel zu verbergen, die sie aber längst bemerkt hatte.
    Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, was er durchgemacht haben musste. Doch er war immer stolz auf seine Unabhängigkeit gewesen, deswegen verkniff sie es sich, ihn zu bedauern.
    Damit schienen ihre Themen erschöpft.
    Beide sahen sie zu Mallory hinüber, die Gabe anstarrte und deren Blick all ihre Gefühle verriet. Mallory, die ihren Dad seit Jahren zum ersten Mal in den Arm genommen hatte.
    »Und in welcher Klasse bist du jetzt?«, erkundigte sich Gabe zu Helens Überraschung.
    »Wir haben Sommerferien«, erklärte Mallory. »In einem Monat gehe ich auf die Highschool.« Sie sagte es in einem sehr erwachsenen Ton.
    »Unglaublich«, meinte Gabe. Er musterte sie genau. »Also bist du schon wie alt? Vierzehn?«
    »Fast. Ich bin spät im Jahr geboren. Am zweiten September.«
    »Ich im Juli. Ich erinnere mich noch daran, dass ich dreiund­dreißig geworden bin, aber nicht sechsunddreißig. Ziemlich seltsam, was?«
    Helen konnte sich nicht daran erinnern, wann Gabe und Mallory sich das letzte Mal so entspannt unterhalten hatten. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle.
    »Genauso lange kennen wir dich«, stellte Mallory fest. »Drei Jahre.«
    Gabe warf Helen einen Blick zu. »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte er.
    Helen spürte, wie sie sich unvermittelt wieder zu ihm hingezogen fühlte. Wäre sie noch einmal in der gleichen Situation, würde sie wieder genau die gleichen Schwierigkeiten haben, ihm zu widerstehen. Er war ein moderner Rattenfänger von Hameln. Selbst jetzt, halb verhungert und ohne Erinnerungsvermögen, zog er sie vollkommen in seinen Bann.
    »Hör zu«, ergriff sie jetzt das Wort, »ich muss ein paar Telefonate führen. Ich muss mich darum kümmern, dass ich morgen freibekomme, damit ich dich abholen kann.«
    Gabe nickte und senkte den Blick. »Natürlich«, erwiderte er. »Tut mir leid wegen all der Umstände.«
    »Nein, das ist schon in Ordnung.« Sie spürte, wie sie schon wieder rot wurde. »Wir sehen uns dann morgen früh«, fügte sie hinzu. »Und … äh … versuch, dir nicht so viele Sorgen zu machen. Deine Erinnerungen werden zurückkommen.« Sie schob sich den Riemen ihrer Handtasche über eine Schulter. Und was jetzt? Sollte sie ihm einen Kuss geben, ihn umarmen oder einfach hinausgehen?
    Sie entschied sich dafür, kurz zu lächeln und ihm zuzuwinken. »Wir sehen uns morgen. Komm, Mal.« Dann rannte sie praktisch zur Tür.
    Mallory folgte ihr nur zögernd. »Es wird alles gut werden«, hörte Helen sie sagen.
    Oh nein, das würde es nicht, das war Helen klar. In dieser Gleichung gab es viel zu viele Unbekannte. Es konnte kein gutes Ergebnis dabei herauskommen.

3
    Gabe riss die Augen auf. Außer einem sanften Lichtschein, der unter der Tür durchdrang, war er von tiefer Dunkelheit umgeben. Wo bin ich? Sein träges Hirn ließ keine Antwort zu. Er wusste nur, dass er etwas gehört hatte. Gefahr war im Verzug, wie immer in tiefster Nacht.
    Da war es wieder, das Geräusch, das ihn geweckt hatte. Ein leises Knarzen, wie von Leder, das gedehnt wurde.
    Gott, nein! Nicht noch eine Auspeitschung. Nicht wieder unendlich viele brennende Striemen auf seinem Rücken. Diese Folter würde er nicht noch einmal durchstehen können, ganz zu schweigen von den Stunden fiebriger Qualen danach.
    Gabe tastete nach einer Waffe, nach irgendetwas, womit er sich seine Kidnapper vom Hals halten konnte. Er bekam etwas zu fassen, das sich wie ein Krug anfühlte, wie ein voller Krug. Er hatte keine Ahnung, wo das Ding herkam, aber da es der einzige Gegenstand in Reichweite war, packte er ihn.
    Als eine dunkle Gestalt sich über ihn beugte, schleuderte Gabe ihr den Inhalt des Krugs entgegen. Mit einem überraschten Aufschrei fuhr der Angreifer zurück. Gabe schleuderte den leeren Krug gezielt hinterher und kroch aus der seltsamen Vorrichtung, in der er gelegen hatte, um Abstand zwischen sich und seinen fluchenden Angreifer zu bringen.
    »Madre

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