Aus Dem Dunkel
de dios« , rief der Mann und schaltete die Nachttischlampe ein. » Jaguar, ich bin es«, fügte er hinzu. »Was zum Teufel haben Sie vor? Wollen Sie mich ersäufen?«
Als Gabe seinen Master Chief erkannte, sog er scharf die Luft ein. Er tastete Halt suchend nach der Wand. Ein paar schnelle Blicke in die Runde machten ihm klar, wo er sich befand. Nicht in irgendeiner dunklen Zelle mit gesichtslosen Kidnappern, sondern im Naval Medical Center in Portsmouth. Und vor ihm stand sein von ihm sehr geschätzter Master Chief, der sich offensichtlich gerade aus dem Ledersessel neben Gabes Bett erhoben hatte. »Sebastian«, flüsterte Gabe bestürzt.
Sebastian León blickte ihn ebenso bestürzt an. Er war groß und schlank und betrachtete Gabe mit Augen, die nur etwas heller waren als sein pechschwarzes Haar. »Es ist alles in Ordnung«, sagte Sebastian schon wieder mit der gewohnten Gelassenheit. »Ich wollte Sie nicht erschrecken«, entschuldigte er sich und musterte ihn aufmerksam.
Gabe fiel wieder einmal Sebastians kantiges Äußeres auf. In völligem Gegensatz zu Lovitt sah er aus, als habe er die letzten sechs Wochen ununterbrochen an Bord eines Schiffs der Küstenwache verbracht. Sein Haar war zu lang und lockte sich bereits, sein Kinn brauchte dringend eine Rasur. Er trug einen übel riechenden Kampfanzug, dessen Jacke fehlte. Das grüne T-Shirt, das Gabe gerade mit dem Wasser aus dem Krug getränkt hatte, war ausgeleiert und voller Schweißflecken.
Gabe war in seinem Leben noch nie ein Anblick so vertraut vorgekommen. Er hatte das überraschende Bedürfnis, sich in Sebastians Arme zu werfen. Und er wäre am liebsten vor Scham gestorben, weil er so deutlich gezeigt hatte, wie schwach seine Nerven waren.
»Sie schlafen ja noch halb«, meinte Sebastian, um ihm eine Brücke zu bauen. »Gehen Sie ins Badezimmer und spritzen Sie sich mal kaltes Wasser ins Gesicht.«
Als Offizier stand Gabe rangmäßig über seinem Master Chief, aber trotzdem gehorchte er, weil er dankbar war, einen Moment für sich allein zu haben.
Er hielt seinen ganzen Kopf unter den kalten Wasserstrahl, um die Nachwirkungen der Schlaftabletten loszuwerden. Dann rieb er sich das Gesicht mit einem Handtuch trocken und nahm es, nun wieder einigermaßen klar im Kopf, mit ins Zimmer.
Sebastian tupfte sich die Brust damit ab. Dann schlang er sich das Handtuch um den Nacken, legte Gabe die Hand auf die rechte Schulter und drehte ihn ins Licht des Badezimmers. Der sanfte Ausdruck auf seinem Gesicht schnürte Gabe die Kehle zu.
»Stehe ich einem Geist gegenüber?«, fragte Sebastian.
Gabe lachte. »Ja, vielleicht. Ich fühle mich jedenfalls wie wiederauferstanden.«
Zu seiner Überraschung zog Sebastian ihn in eine ziemlich nasse Umarmung. Das Zittern seiner Arme, die Härte seines Griffs ließen Gabes Herz beben. In Sebastians Augen funkelten Tränen, als er ihn wieder auf Armeslänge von sich hielt. »Ich hatte schon gedacht, ich würde Ihre hässliche Visage nie wiedersehen«, gestand er. »Wie kann es sein, dass Sie noch am Leben sind? Das Lagerhaus ist explodiert, während Sie noch drin waren.«
Gabe versuchte, sich zu erinnern, dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es nicht. An die Mission kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Ich erkenne nicht einmal meine Frau wieder«, fügte er hinzu, ohne auch nur den Versuch zu machen, seine Bestürzung darüber zu verbergen.
Sebastian nahm das Handtuch und rieb erneut über sein Shirt. »Ihnen wird schon noch alles wieder einfallen«, versicherte er ihm.
»Vielleicht.« Von Zweifeln geplagt, trat Gabe einen Schritt zurück. »Mein Stirnlappen hat wohl etwas abbekommen«, fügte er hinzu, während er sich über die möglichen fürchterlichen Folgen den Kopf zermarterte. »Vielleicht kehrt mein Gedächtnis auch nie mehr ganz zurück.«
»Niemals?« Sebastian zog ein spöttisches Gesicht und warf das Handtuch auf den Boden. »Ich wusste gar nicht, dass Sie dieses Wort überhaupt kennen, Sir«, neckte er Gabe. »Erinnern Sie sich an Kirkuk, als mich die Iraker zwei Wochen lang festgehalten haben, bevor Sie mich befreit haben?«
Gabe wühlte in seinem Gedächtnis und war froh, als einige Bilder der damaligen Mission wieder vor seinem geistigen Auge auftauchten. Er durchlebte sie bis hin zu dem Gefühl von knirschendem Sand zwischen den Zähnen. »Ja«, sagte er. »Ich erinnere mich.«
»Es hat mich ein Jahr gekostet, mich an diese beiden Wochen zu erinnern.«
»Sie wollen mich wohl
Weitere Kostenlose Bücher