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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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draußen?«
    »Nichts.« Paskuleit dachte an den verhafteten Hans Kampken. Man hatte ihn in Allenstein erschossen, wie erwartet. Wegen Wehrkraftzersetzung. Ein Sondergericht hatte ihn gar nicht erst angehört, das Urteil gefällt und innerhalb einer Stunde vollstrecken lassen. Ein Viehhändler aus Allenstein, der es von seinem Schwager wußte, der Schmied bei der Division war, berichtete nur guten Freunden, Kampken habe kurz vor dem Kommando »Feuer!« noch geschrien: »Euch wird die Wahrheit noch den Arsch aufreißen!« Dann trafen ihn vierzehn Kugeln, alle in die Brust. Man hatte gute Schützen in das Exekutionskommando genommen.
    »Irgend etwas muß man doch sagen!« knurrte Kurowski eigensinnig.
    »Die Kartoffelernte wird schlecht …«
    Opa Jochen starrte Paskuleit an, überlegte, ob er am ersten Tag des neuen Jahres einen Krawall machen sollte, winkte dann großzügig ab und ging ins Bett. Oma Berta nahm er mit … er knuffte sie in die Seite, um sie aufzuwecken, sie quiekte, rappelte sich aus dem Lehnsessel und tappte ihrem Mann nach. Paskuleit und Erna waren allein.
    »Morgen belade ich die beiden Wagen«, sagte er. »Den großen Leiterwagen und die Kutsche. Du hast doch alles gepackt?«
    »Bis auf das Nötigste.« Erna Kurowski sah ihren Schwager mit weit aufgerissenen Augen an. »Du weißt mehr, als du sagst, Julius.«
    »Ich werde auf keinen Fall warten, bis man uns amtlich zur Räumung auffordert.«
    »Aber wir haben doch nur zwei Pferde … für den Leiterwagen.«
    »Ich habe vor vier Tagen in Ortelsburg zwei Pferde gekauft … gegen zehn Häute Leder. Morgen hole ich sie ab. Und in Deutschwalde steht ein Traktor, den habe ich auch gekauft. Er hat dein Klavier gekostet …«
    »Das Klavier?« Erna warf den Schal weg. »Julius, du kannst doch nicht einfach Ewalds Klavier gegen einen Traktor eintauschen!«
    »Willst du's auf dem Buckel mitschleppen, bis Berlin vielleicht oder bis Kolberg?«
    »Aber wenn Ewald …«
    »Dein Mann hätte nichts anders getan! Mit 'nem Klavier kannste nicht über die Straßen rollen, aber mit 'nem Traktor! Ein Traktor kann unser Leben bedeuten … oder willst du hier sitzen und ›An Elise‹ spielen, wenn der Russe vor der Tür steht?! Mein Gott, ich könnte die Wand hoch gehen vor Freude, daß wir 'nen Traktor haben, und du meckerst 'rum!«
    Paskuleit trat ans Fenster. Die Nacht zum 1. Januar 1945 war so schön, wie eine Neujahrsnacht sein soll. Ein weiter Himmel, ein Meer von Sternen. Und glitzernder Schnee über dem Land.
    »Hast du schon einmal daran gedacht, daß wir Adamsverdruß nie wiedersehen werden?« fragte er leise.
    »Daran denke ich nicht. Das ist unmöglich.«
    »Wenn der Russe hierbleibt?«
    »Noch ist er nicht da, Julius.«
    »Oder der Pole, weiß man's?«
    »Daß du so etwas denken kannst, Julius. Hier ist doch Deutschland.«
    »Wie lange noch?«
    »Seit ein paar hundert Jahren … und auch weitere Hunderte von Jahren.«
    »Oder so lange, bis Rokossowskij und Tschernjakowski uns in die Zange nehmen und zerquetschen. Wer soll Ostpreußen zurückerobern? Unsere ausgelaugten Truppen? Unsere Divisionen, die ihre Munition zählen müssen? Unsere Panzer, die keinen Sprit mehr haben?«
    »Du siehst zu schwarz«, sagte Erna Kurowski. »Hast du Goebbels nicht im Radio gehört? 1945 ist das Jahr des Sieges.«
    »Das stimmt.« Paskuleit trat vom Fenster zurück. Der weiße, glitzernde Frieden da draußen rührte ihn zu Tränen. »Es fragt sich nur, wer hier siegt …«
    Am 12. Januar, am Vormittag, an einem Tag, der vor Frost klirrte und jeder Laut in der Kälte mehrmals zerbrach, brüllte rund um Ostpreußen das Land auf. Ein feuerspeiender Ring schleuderte Tod und Vernichtung auf die deutschen Divisionen, die sich in den eisharten Boden duckten und auf das Anrollen der sowjetischen Armeen warteten. Schon am frühen Nachmittag erkannte man die ungeheure Konzentration und die Stoßrichtungen der roten Fronten. Nicht nur Ostpreußen sollte umklammert werden – Marschall Schukow marschierte in Richtung Berlin, die Armeen Konjews und Petrows rollten Schlesien auf. Bei Baranow in Westgalizien setzten die Sowjets über die Weichsel, und aus diesem Brückenkopf heraus rollten ihre Panzer und brachen die deutsche Mittelfront auf. Das weite Land westlich der Weichsel lag wie ein Tisch da, über den man jetzt eine Decke aus Blut ausbreitete.
    Von allen Seiten strömten die Flüchtlinge nach Westen und Norden. In Eydtkau und Goldap, Treuburg und Lyck, Johannisburg und

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