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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und studiert Pädagogik. Und Erna ist da, Emil … nimm dir ein Beispiel an ihr. Diese Haltung – – –«
    »Sie ist versteinert, Heinrich. Ich habe Angst um sie.« Kurowski wandte sich ab. Er hakte sich bei Ellerkrug unter, ein alter Mann, der Halt sucht und bei jedem Schritt erst den Boden vor sich abtastet. Und dabei war er erst 54 Jahre …
    »Dann nimm sie und verreise mit ihr … in den Süden, Ewald, leg sie ans blaue Mittelmeer, laß sie unter Palmen träumen, fang endlich an, dein Leben zu genießen, friß deine Millionen auf – was du gar nicht mehr kannst – hol Erna heraus aus dem Panzer, der Kurowski heißt … verdammt, Ewald, was ein Mann im Leben schaffen kann, hast du getan, nun ruh dich etwas aus …«
    »Noch ein Jahr, Heinrich.« Kurowski blieb stehen. Erna war schon in den großen Wagen gestiegen. Ludwig saß hinter dem Steuer, Inge, groß, schlank, goldblond, das vergrößerte Abbild ihrer Mutter, stand neben der offenen Fondtür und wartete auf den Vater. »Wenn Ludwig seinen Doktor hat und Inge auf der Universität ist, lasse ich es langsamer gehen.« Er hielt Ellerkrug am Ärmel fest. »Du, ich muß dir etwas sagen …«
    »Heraus damit.«
    »Ich habe wie ein Irrer geschuftet wegen Peter.« Kurowski schluckte, er war dem Weinen nahe. »Ich habe gewußt, daß er als einziger auf der Strecke bleibt, und für ihn wollte ich soviel zur Seite legen, daß er davon hätte leben können … ein unsichtbares Gnadenbrot.«
    »Vielleicht hat er es doch gemerkt?«
    »Möglich. Ich fühle mich schuldig, Heinrich.«
    »Blödsinn! Laß bloß so etwas nicht in dir aufkommen! Schuldig! Man kann einen Menschen nur bis zu einer gewissen Grenze beherrschen, auch als Vater. Jeder Mensch ist eine eigene Persönlichkeit, und die wird eines Tages deutlich.«
    »In einer Morphiumspritze –«, sagte Kurowski dumpf.
    »Auch darin. Der Mensch wird immer das größte Rätsel bleiben, das Gott bei der Schöpfung hinterlassen hat – – –«
    Sie kamen zum Wagen, und Inge umarmte weinend ihren Vater.
    »Es ist gut, Ingelein«, sagte Kurowski und klopfte ihr den Rücken. »Es ist ja gut. Ist ja vorbei. Wein nicht. Wir müssen jetzt um so fester zusammenhalten, schon wegen Mutter.«
    Er stieg ein, legte den Arm um Erna, drückte sie an sich und streichelte ihr kaltes Gesicht. In schneller Fahrt verließen sie den Friedhof.
    Es blieb etwas in Kurowski zurück, auch wenn es keiner sah und er selbst es nicht wahrhaben wollte. Er konnte es nicht erklären, er hatte keinen Namen dafür, aber es lag in ihm wie ein eiserner Klotz, umklammerte sein Herz und raubte ihm den Schlaf.
    Erna merkte es nicht, wie er oft erst gegen Morgen einschlief und die ganze Nacht herumlag, nicht grübelnd, sondern einfach so schrecklich nüchtern wach, ein Wachsein, das nichts ausfüllte. Er ging in sein Büro, er hielt seine Sitzungen ab, er entwarf Franz Busko die Parteireden, er vergrößerte die ›Westschuh‹ zum größten Schuhkonzern Europas … und dabei wurde er immer stiller, immer menschenscheuer, kroch in sich hinein wie eine Schildkröte unter ihren Panzer.
    Kurowski zog um. Er kaufte sich eine Villa mit einem großen Park, einen richtigen Herrensitz, und er tat es nur, um darin herumzugehen und sich zu sagen: Aus dem kleinen Schuhmachermeister Kurowski aus Adamsverdruß ist der Besitzer eines Schlosses geworden, wie es früher bei uns nur die Adeligen und Großgrundbesitzer hatten. Aber wozu das alles, wozu? Was mir schmeckt, darf ich nicht mehr essen, wegen des Blutzuckers … den schönsten Wein muß ich stehenlassen, wegen der Leber … ich kann auf keinen Berg mehr klettern, wegen des Herzens, und ich kann nicht mehr im Schnee wandern, wegen des Rheumas … aber ich habe ein Schloß, ein Millionenbankkonto, ich habe viertausend Angestellte und Arbeiter, ich trage das Bundesverdienstkreuz I. Klasse (Franz Busko übrigens auch), ich bin im Ausschuß der deutschen Wirtschaft und sitze in zwölf Aufsichtsräten, ich werde mit jedem Tag reicher, ohne noch etwas dafür zu tun … und kann doch nichts anderes machen, als durch meinen Park laufen, die Zeitung lesen, vor dem Fenster sitzen, mit Erna Karten spielen, ab und zu die Praxis meines Sohnes Dr. Ludwig Kurowski besuchen oder zuhören, wie die Studienassessorin Inge Kurowski neue Lehrmethoden verteidigt, die ich für Unsinn halte.
    Das Leben ist uninteressant geworden, es hat keine Spannungen mehr, es lebt sich so dahin …
    An einem Maitag flogen Erna und Ewald Kurowski nach

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