Aus dem Tagebuch einer Rabenmutter (German Edition)
ist zwecklos. Er schreit, bis das die Scheiben klirren.
Unbeirrt schiebe ich das Kinderwagenmonstrum, in dessen Innenleben ohrenscheinlich Babys gequält werden, mit immer schnelleren Schritten über den Bürgersteig.
Alle Babys lieben Kinderwagenfahren. Nur Paulchen nicht. Alle Babys schlafen im Kinderwagen. Paulchen schreit.
Herr Dubzinski, Untermieter von Frau Sauer, lacht mich im Vorbeigehen freundlich an.
„Schreien ist gut. Kräftigt die Lungen.“
Sympathisch der Mann. Endlich einmal jemand, der sich mit Kindern auskennt.
Mütter
Entkräftet bahne ich mir einen Weg durch ein paar Tonnen schmutzige Wäsche und breche, kurz bevor ich das Bett erreichen kann, auf dem Boden zusammen. Paulchen schläft wieder. Das erste Mal seit 48 Stunden, von denen er 47,5 schreiend und weinend verbracht hat.
Der fleißigste aller Ehemänner flüchtet sich morgens immer früher ins Büro, wegen der vielen, vielen Arbeit, die liegen geblieben ist. Zum Ausgleich bleibt er dafür abends auch länger im Büro.
Seit 3 Monaten habe ich mir nicht die Haare gewaschen, seit einer Woche nicht geduscht. Die Nachbarn können nicht mit dem Finger auf mich zeigen, da ich das Haus nicht mehr verlassen kann. Vor unserer Wohnungstür warten 25 Müllsäcke darauf entsorgt zu werden. Überall stapeln sich schmutziges Geschirr und leere Pizzakartons Aus unserem Kühlschrank grüßen mich ungebetene Übernachtungsgäste, im Bad haben sich ebenfalls zahlreiche neue Untermieter breit gemacht.
Da gibt es nur noch eine Lösung.
Ich schlage mit dem kleinen Hämmerchen die Glasscheibe ein und drücke die dahinter befindliche rote Taste meines Telefons. MÜTTERNOTDIENST.
Nur im äußersten Notfall zu betätigen.
„Aber sicher doch Schatz, wir kommen sofort und helfen Dir und unserem kleinen Enkel.“
Danke Mutter.
Wenn auf Dich nicht Verlass ist, auf wen dann. Du, der ich mein Leben verdanke. Du, die Du mich gefüttert und gewickelt hast, die Du bei mir warst, als ich krank war. Erst jetzt kann ich richtig begreifen, was ich Dir alles zu verdanken habe, oh Mutter Du.
Danke.
„Warte Schatz, ich hole mal eben meinen Terminkalender. Also, nächste Woche sieht es ganz schlecht aus. Montags habe ich meinen neuen Kochkurs Feng shui in der Küche. Dienstag sehen wir uns mit dem Bridgeclub die Ausstellung von Helga van Erten in der Kunsthalle an. Mittwoch findet unser alljährliches Klassentreffen statt. Donnerstag ist Aktzeichnen im Kulturhaus und am Freitag kommen Rosenmüllers zum Abendessen. Wie wär`s denn mit übernächste Woche Mittwoch, da könnten wir zum Kaffee vorbeischauen.“
„Mutter ! Ich glaube, Du hast mir wie immer nicht zugehört.
Notfall. Ich ertrinke! Nicht Kaffee trinken in drei Wochen.“
„Aber sicher doch Kind. Aber morgen ist schwierig, da habe ich einen Friseurtermin, Du weißt doch, wie lange man da bei Pascal drauf warten muss. Anschließend habe ich noch Maniküre und Fußpflege. Nur weil man alt wird, muss man sich nicht gehen lassen. Und schließlich gehen wir doch morgen Abend in die Oper. Figaros Hochzeit.“
„Mutter !!!!“
„Schätzchen, weißt Du was, ich verschiebe einfach den Einkaufsbummel mit Hilde und wir kommen am Freitag bei Euch vorbei.“
“Besser als gar nichts“, brumme ich.
Noch zwei schlaflose Nächte und der lang ersehnte Freitag ist da.
„Katja, mein Kind. Du siehst aber wirklich blass aus“, begrüßt mich die Spitze des Hilfskonvois bestehend aus meinem Vater.
„Und hier riecht es irgendwie eigenartig“, rümpft die einzigartigste aller Mütter, ihre gepuderte Nase. Insgeheim frage ich mich, wofür sie sich so aufgebrezelt hat. Für`s Kinderhüten und Küche putzen sind weder samtene Designerjacken noch sehen-fast-wie-Chanel-Ohrringe-aus erforderlich.
„Können wir Dir irgendwie helfen?
Und da ist er ja, der kleine Süße. Ich weiß gar nicht, was Du immer hast. Ist doch ein ganz liebes Kind. Und schreit doch gar nicht.“
Paulchen, Du Verräter.
„Wartet nur ab, er hat gerade eine gute Minute. Nimmst Du ihn kurz, ich muss mal eben auf``s Klo.
„Aber sicher doch. Aber jetzt, wo Du es sagst, am Besten gehe ich auch mal vorher. Die lange Autofahrt und ich glaube, ich habe etwas zu viel Kaffee zum Frühstück getrunken. Apropos Kaffee, ich koche uns erst mal eine gute Tasse.
Sag mal, wo hast Du denn die Kaffeefilter. Also in Deiner Küche kann man sich ja überhaupt nicht zu Recht finden. Am Besten kochst Du den Kaffee selbst, sonst geht noch etwas zu Bruch.
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