Aus dem Tagebuch einer Rabenmutter (German Edition)
verschwiegen. Ich beschließe, vom Kinderkriegen die Finger zu lassen und werde ohnmächtig.
„Haben Sie reserviert?“ flötet Schwester Anita.
Die Frage muss ich leider verneinen.
„Nein, tja das sieht im Moment ganz schlecht aus, aber ich schau mal, was sich machen lässt.“
Anita kehrt nach einigen Minuten mit einem gewinnenden Lächeln zurück.
„Die Kreißsaalsuite ist leider noch bis morgen früh besetzt, der blaue Kreißsaal bis zum späten Nachmittag. Aber, eine gute Nachricht, in unserem Honeymoon-Kreißsaal ist schon der Zimmerservice, den könnten wir Ihnen ab 09.00 Uhr anbieten. Mit integriertem Whirlpool, Kitchenette und separatem Salon. Eine Flasche Wein und ein Blumenstrauß pro Geburt sind inklusive. Wenn Sie mal kurz einen
Blick hinein werfen möchten?“
Anita öffnet die Tür zu einem lichtdurchfluteten Zimmer mit einem riesengroßen herzförmigen Bett. Von der Decke plätschert ein kleiner Wasserfall, der in einem riesengroßen, ovalen Whirlpool endet.
Das ist es. Genau hier soll mein Kind das Licht der Welt erblicken
„Zahlen Sie cash oder mit Kreditkarte?“
Ich zücke lässig meine Platin-Visa-Card.
„Wenn Sie dann in der Zwischenzeit einen kleinen Drink an der Bar nehmen möchten? Schwester Hilde ist Ihnen auch gerne mit einem kleinen Einlauf behilflich.“
Begeistert setze ich mich auf einen der Gebärhocker und schaue mich schon mal ein wenig um. Überall entspannte und fröhliche Gesichter. Von Schmerz und Wehen keine Spur.
Ein gut gebräunter Athlet tritt zu mir an die Bar.
Guten Tag, ich bin ihr persönlicher Geburtstrainer. Wenn Sie Wünsche, Anregungen oder Verbesserungsvorschläge haben, wenden Sie sich einfach vertrauensvoll an mich.
Zunächst zeige ich Ihnen erst einmal den Fitnessbereich. Wenn Sie möchten, können Sie gleich mit dem Training anfangen. Am besten nehmen Sie jetzt ein kurzes Entspannungsbad und dann fangen wir an.“
Ich versinke glücklich im Schaum. Hier möchte ich bleiben und nie wieder aufstehen.
Zwei Stunden später wache ich in einem Aufwachraum auf. Neben mir sitzt die ganze Familie und faselt etwas von Vollnarkose und Notkaiserschnitt. Ich verstehe nichts davon. Mein Mann legt mir ein kleines warmes Bündel auf den Bauch.
Paul.
Alles ist gut.
Postnatale Depression
Montagmorgen.
Es regnet in Strömen. Der achte Tag nach Paulchens Geburt. Gerade habe ich eine meiner Lieblingstassen zerdeppert, doch das macht nichts.
Ich bin überglücklich.
Ich liebe die Welt, das Leben und vor allen Dingen dieses kleine Wesen, das neben mir als festes Paket verschnürt auf der Couch liegt. Der Briefträger hat gerade einen Sack mit weiteren 250 Glückwunschkarten bei uns abgeliefert, die Welt freut sich mit uns.
Nachdem wir uns eine Woche verkrochen haben, wird es langsam Zeit, wieder Kontakt zur Außenwelt aufzu-nehmen.
Ich stöpsele das Telefon ein und beginne, den Anrufbeantworter abzuhören. Erstaunlich, wer alles an uns gedacht hat.
Und da klingelt es auch schon.
Sabine ist`s. Eine Profimutter aus dem Geburtsvor-bereitungskurs, denn ihre kleine Tochter ist bereits 3 Wochen alt.
Noch während sie die Glückwünsche zu Paulchens Geburt übermittelt, bricht sie unvermittelt in Tränen aus.
„Es ist ja alles so schrecklich traurig.“
„Was ist traurig?“
„Alles.“
„Aber Du hast doch so eine süße Tochter, gesund und munter. Und es geht Euch doch gut.“
„Ich weiß, das ist es ja. Das ist alles so traurig.“
„Ja, aber warum ?“
Ach, das ist nur die PND“, schluchzt sie.
PN was? PMS, das habe ich ja schon einmal in der Apothekerzeitung gelesen, aber was ist denn schon wieder PND?
Von Sabine ist derzeit keine vernünftige Erklärung zu erwarten, sie schluchzt leise aber hartnäckig vor sich hin. Ich lege den Hörer kurz bei Seite, um die Nachrichten auf meinem Handy abzuhören.
„Sie haben siebenundzwanzig neue Nachrichten. Erste neue Nachricht, vorgestern. 12: 25 Uhr.
„Ja, hallo Katja, ich wollte Dir nur kurz gratulieren und Dir sagen, wie sehr ich mich für Euch freue. Sag mal, hat das bei Dir mit der Postnatalen Depression mittlerweile auch schon angefangen?
Was machst Du dagegen? Ich leide schon seit 4 Monaten darunter. Bis jetzt hat gar nichts geholfen. Manchmal überkommt es mich einfach und dann muss ich …….“ Der Rest des Anrufs geht in einem jämmerlichen Schluchzen unter.
Zweite neue Nachricht, vorgestern 13: 47 Uhr: Katja, hier ist Deine Schwiegermutter. Was ich gestern noch
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