Aus den Papieren eines Wärters
von den anderen. Seltsam schien es mir nur, daß mir ein Mädchen auf mein 135
Läuten hin die Haustüre öffnete. Es mochte nicht fünfzehn Jahre zählen und war von einer Frische, die den düsteren Eindruck des schäbigen Flurs milderte, durch den es mich führte, als ich den Zettel des Beamten wortlos vorwies. Vor einer Tür preßte es mich an seinen Leib und flüsterte Worte von einer erschreckenden Bedrohlichkeit in mein Ohr. Dann ließ es von mir und öffnete die Türe, so daß ich zurücktaumelte, weil das hereinbrechende Licht mich blendete, worauf ich nur allmählich ein mittelgroßes Zimmer wahrnahm, in das ich geführt wurde. In ihm waren geschmacklose Möbel, wie wir solche oft bei Menschen bemerken, die rasch zu einem großen Reichtum gelangt sind, insofern schien hier die Verwaltung plötzlich einen unsinnigen Luxus zu dulden.
Besonders war der starke und süßliche Duft widerlich, der über allem schwebte, doch wurde mein Blick nach der Mitte des Zimmers gezogen, in der sich alles zu einer unförmigen Masse verdichtete. Es waren drei alte Weiber, die auf dünnen Rohrsesseln um ein rundes Tischchen saßen, auf dem sie Karten spielten und Tee aus japanischen Tassen tranken, und noch jetzt werde ich von einem heftigen Ekel geschüttelt, indem ich es unternehme, diese Wesen zu beschreiben. Ihre Lippen waren mit blauer Farbe geschminkt, aber es waren die hängenden Wangen, die meine Abscheu erregten, die fettig glänzten. Von ihren Augen und Händen ist mir eine weniger deutliche Vorstellung geblieben. Sie preßten die Köpfe eng aneinander, wodurch das Unförmige ihrer Erscheinung gesteigert wurde. Sie begrüßten mich mit einem gierigen Redeschwall, ohne von den Karten zu lassen. Indem ich ihren schmutzigen Worten aufmerksam und mißtrauisch folgte, wurde mir die Arbeit deutlich, die mir bestimmt war. Ich vernahm, daß ich mich im Gefängnis der Stadt befand, dem die drei alten Weiber als Vertreter der Verwaltung zugeteilt waren, und daß ich hier meinen Dienst als Wärter anfangen mußte.
Sie wiesen auf das Wesen der Bewachung hin, die sich im 136
geheimen abzuspielen habe, so daß dieser Umstand es notwendig mache, den Wärter außer durch die Waffen, die versteckt zu tragen seien, nicht von den Gefangenen zu unterscheiden. Sie ließen mir vom Mädchen die Kleider geben, die den Wärtern zukommen, doch schlugen sie meine Bitte ab, mich anderswo umkleiden zu dürfen, worauf ich mich der Anordnung unterziehen mußte und mich vor ihnen entkleidete.
Es waren seltsame Kleider, die mir das Mädchen überreichte, auf die in allen Farben fremdartige Zeichen und Figuren gestickt waren, doch konnte ich mich in ihnen frei und ungehindert bewegen. An Waffen erhielt ich einen Revolver, zwei Munitionsgürtel und zwei Handgranaten.
Dann ließen die drei Alten plötzlich von mir ab. Sie schienen mich nicht mehr zu beachten und hatten sich wieder völlig dem Spiel zugewandt, als mich das Mädchen aus dem Zimmer führte.
Es war eine andere Tür, durch die wir das Zimmer verlassen haben mußten, denn ich befand mich nicht im Flur wie kurz zuvor, als ich das Haus betreten hatte, sondern vor einer Treppe, die steil hinab führte. Obschon ich überrascht war, unterließ ich es nicht, das Mädchen nach meiner Truppe zu fragen; doch antwortete es nicht, worauf ich ihm nach unten folgte.
Nach kurzem Abstieg gelangten wir in einen kleinen vierek-kigen Raum, in welchem sich ein Holztisch befand, an dem ein älterer Mann saß und schrieb. Er war gleich gekleidet wie ich, nur daß er noch eine Maschinenpistole umgehängt hatte.
»Da ist er also, der Neue«, sagte er und stand auf. »Nimm Achtungsstellung an, und du, Mädchen, scher dich nach oben zu deinen drei Vetteln!«
Er lauschte mit schräggeneigtem Kopf, wie sich die Schritte des Mädchens nach oben entfernten, öffnete dann, wie nichts mehr zu hören war, befriedigt eine niedere, halbzerfallene Holztüre und befahl mir zu folgen.
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Wir gelangten in einen schmalen Gang, der in den bloßen Fels gehauen war, feucht von sickerndem Wasser und nur notdürftig von kleinen roten elektrischen Lämpchen erhellt, deren Leitungen lose an den Wänden entlangliefen. Der Wärter reichte mir einen der beiden Stahlhelme, die hinter der Türe an einem Nagel hingen, mit weißem Stoff überspannt, auf dem die gleichen grotesken Figuren wie auf unseren Kleidern waren; ferner übergab er mir eine Maschinenpistole mit der Bemerkung, die Vetteln brauchten nicht alles zu
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