Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
darüber gemacht, wie ein geklonterHitler wohl aussähe und welchen Charakter er haben müsste. Wäre ein heute aus Hitlers DNA erschaffenes Ebenbild eher Diktator, Geschäftsmann oder Künstler geworden? Zu dieser Frage, die auch ich interessant finde, wollte Cintron ein Buch schreiben.
Um seinen Text zu bebildern, wünschte er sich von mir einige Fotos von Hitlers Zähnen. Am liebsten hätte er auch noch DNA-Proben für seine Sammlung. Das hört sich ungewöhnlicher an, als es ist, denn jede Art von Hitler-Memorabilien, und eben auch seine DNA, ist begehrt. Noch im Herbst 2005 verschwand Hitlers Parteiabzeichen aus einer Moskauer Ausstellung (siehe S. 49).
Nun ist es unter Sammlern üblich, dass sie tauschen. Als Cintron mir also seine Wünsche mitteilte, fragte ich ihn, was er denn im Gegenzug zu bieten habe. Sein Angebot machte mich zu einem glücklichen Kriminalbiologen. Es waren die Originale bzw. direkte Ablichtungen der Röntgenbilder Hitlers.
Es dauerte zwar eine ganze Weile, bis Cintron mich überzeugt hatte, kein Angeber oder Betrüger (oder beides, also ein Agent) zu sein. Einige freundliche Briefe später hielt ich die Röntgenbilder in Händen – und bin darüber bis heute froh. Denn so hatte ich endlich einen unabhängigen Beweis dafür, dass der englische Geheimdienst uns nicht irgendwelche eigens fabrizierten Abzüge erfundener Röntgenbilder nach Moskau mitgegeben hatte. Auf der beiliegenden Notiz stand:
»Diese Bilder wurden am 19. September und 21. Oktober 1944 auf Veranlassung von Dr. Erwin Giesing aufgenommen. Diese Bilder stimmen mit den Überresten, die die Russen gefunden haben, überein, und auch mit den Röntgenbildern, die im Buch Der Tod von Adolf Hitler von Lew Bezymenskij, einem sowjetischen Journalisten, der Offizier in der Sowjetarmee war, abgedruckt sind.«
Die Notiz stammt von Lester Luntz, dem Vater der rechtsmedizinisch-kriminalistischen Zahnkunde in den USA. Irgendwer hatte einem der US-amerikanischen Geheimdienste diese Bilder gegeben – wohl der britische Geheimdienst, der sie ja auch als Erstergeborgen hatte. Die Amerikaner wiederum reichten die Bilder an Lester Luntz weiter, dem anerkannten Spezialisten auf diesem Gebiet. Unabhängig von den Briten bestätigte er dann noch einmal, dass Hitlers Zähne wirklich in Moskau lagern.
Man sieht: Obwohl die Russen Zeichnungen der Zähne aus Berlin nebst bombenfesten Zeugenaussagen hatten und obwohl die Briten die Röntgenbilder des lebenden Hitler sowie eine ebenso bombenfeste und unabhängige Zeugenaussage besaßen, trauten sich die Geheimdienste untereinander nicht. Sie versuchten jeweils selbst, die Sache zu lösen. Vielleicht tauschten sie ihre Informationen untereinander aus. Vermutlich aber nicht, denn in Moskau fragte mich der zuständige Agent, ob ich ihm die britischen Bilder überlassen könnte (was ich tat).
Dieser Tanz der Schlapphüte hatte einen Vorteil: Er bewirkte lauter unabhängige Quellen – die dann Heriberto Cintron und mir als unerwarteten, nie vorhergesehenen Darstellern mehr durch Zufall als durch gezieltes Suchen zufielen. Wie aber der Puerto Ricaner an die Röntgenbilder von Lester Luntz gelangte und warum gerade ich der einzige Mensch bin, der vor Ort in Moskau alle Fundstücke anschauen und untersuchen durfte, das werden wir wohl nie erfahren.
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Das verschwundene Parteiabzeichen
Als ich im Jahr 2002 in der Lubjanka, der FSB(früher KGB)-Zentrale in Moskau, stand, war mir gar nicht klar, dass es da vor mir lag: das Parteiabzeichen des Führers. Ich habe es sogar nur zufällig fotografiert, dabei war es Sammlern schon damals um die drei Millionen Euro wert, heute eher das Dreifache. Das Abzeichen war bis dahin noch nie ausgestellt oder öffentlich abgebildet worden.
Man vermutet, dass Hitler sein – auf der Rückseite mit einer »1« für »erstes Mitglied« graviertes – Abzeichen unmittelbar vor seinem Freitod Goebbels’ Ehefrau gab, die den »Führer« abgöttisch verehrte und ihn sogar auf Knien anflehte, sich nichtsanzutun, als Hitler sich schon mit Eva Hitler zum bitteren Ende in einen Raum eingeschlossen hatte. Frau Goebbels machte einen derartigen Lärm, dass Hitler tatsächlich noch einmal vor die Tür trat und mit ihr sprach.
Danach brachte der Smersch das Abzeichen zusammen mit den Zähnen von Adolf und Eva, dem Schädelstück, einigen Uniformen und dem Sofa nach Moskau. Das Abzeichen soll allerdings erst 1948 dort gelandet sein. 1954 leitete Iwan Serow, der damalige
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