Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
USA entgegenzukommen, und erklärte plötzlich, dass er im Prinzip nur wegen des Lesens und Anschauens von Pornografie zum Serientäter geworden war. Diese vollkommen abwegige Idee ist durch viele Studien längst widerlegt. Psychisch gesunde Menschen werden nicht durch das Anschauen von Pornografie gewalttätig oder bindungsgestört, sondern äußern sich sehr menschenfreundlich und friedlich über Frauen (vgl. Benecke, Lachende Wissenschaft, S. 137–140). Bindungsgestörte und gewalttätige Menschen kaufen aber natürlich ebenfalls Pornofilme, und sie schauen sich diese Filme nur deshalb teils öfter an, weil sie wegen ihrer bereits vorhandenen psychischen Probleme mit ihren Mitmenschen und ihrer Sexualität nicht gut zurechtkommen. Sie suchen also einen filmischen Ersatz.
Bundy hatte noch nie zuvor Pornografie als Ursache allen Übels erwähnt, doch in der Nacht vor der Hinrichtung wollte er die in den USA politisch einflussreiche christliche Rechte gezielt ansprechen und sich als gut aussehenden Vorzeigemann in ihrem Kampf gegen Pornografie anbieten – also als geläuterten Sünder im Kampf gegen das Böse, was im christlichen Glaubenssystem bekanntlich immer gut ankommt.
Im Gegensatz zu allem, was er selbst, seine Angehörigen, ehemaligen Freunde und Bekannten in all den Jahren zuvor geschildert hatten, gab er während dieses Interviews überraschend an, seine Kindheit sei wunderbar, seine Familie liebevoll und selbstverständlich sehr christlich gewesen. Im Grunde kann man seine Aussagen in diesem Interview herunterbrechen auf die Kernbehauptung, er sei ein lieber Junge aus einer tollen Familie gewesen, der nur verhängnisvollerweise als Teenager Porno- und Krimihefte in die Finger bekommen hat und dadurch zum Sexkiller mutierte.
Das Video dieses Interviews ist im Internet frei verfügbar. Man kann darauf erkennen, dass Bundys Mimik völlig unecht wirkt, wie eine Mischung aus einem Politiker, der weiß, dass man seinem Gegenüber beim Lügen ganz besonders nachdrücklich in die Augenschauen muss, um überzeugend auszusehen, und einem drittklassigen Theaterschauspieler, der Betroffenheit und andere Gefühle sehr betont darstellen will. Besonders bei der verzerrten Darstellung seiner angeblich heilen, christlichen Familie muss er sich immer wieder das Lachen verkneifen, was ihm an einigen Stellen nur schwer gelingt (siehe Abb. S. 98). Ironischerweise wird dieses offensichtlich nur zur Anbiederung an die christliche Rechte durchgeführte Interview bis heute von Evangelikalen verwendet, um damit ihre extremen und unwissenschaftlichen Meinungen zur Pornografie zu unterstützen. So sehr der Medienprofi Bundy sich mit seiner letzten öffentlichen Show für das christliche Publikum ins Zeug gelegt hat, er entkam seiner Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl am folgenden Morgen dann aber doch nicht.
Nicht nur Ted Bundy versuchte, sich extreme christliche Gruppen zunutze zu machen, um seiner Strafe zu entgehen. Auch Luis Alfredo Garavito schloss sich im Gefängnis einer christlichen, evangelikalen Gruppe an, die daran glaubt, Menschen könnten vom Teufel oder von Dämonen besessen sein. Er ließ sich taufen, behauptete, mit Gebeten gegen den Teufel und die Dämonen in ihm zu kämpfen und von ihnen inzwischen frei geworden zu sein.
Garavitos Aussage gegenüber Mark zu seiner angeblichen Begegnung mit dem Teufel wirkt wie gestanzt und aus einem Horrorfilm abgeschaut. Garavito beschrieb es so: »Bei zwei Gelegenheiten habe ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Als ich das erste Mal anfing, das OUIJA-Board auszuprobieren. Mein Haar und die Gardinen haben sich bewegt und mir wurde kalt und ich hörte ein Lachen. Eine Stimme, die mich gefragt hat, was ich bräuchte, und ich sagte ihr, was ich wolle. Die Stimme fragte, ob ich an ihn glauben würde, und ich sagte: ›Ja, ich glaube an Sie.‹ Er sagte, dass er aber dafür viele Seelen bräuchte.«
Viele der Wahrnehmungstäuschungen, die Garavito während seines Lebens gehabt haben will und von denen er in den Gesprächen mit Mark erzählte, wirken lebhaft genug vorgetragen und im Zusammenhang mit seinem starken Alkoholkonsum durchaus auch für mich als Psychologin glaubhaft. Diese sehr übertriebeneund gestanzte Geschichte vom Pakt mit dem Teufel ist aber angesichts seiner Persönlichkeit doch eher als Versuch auszulegen, den ihn im Gefängnis unterstützenden Christen eine Erklärung für seine Untaten zu liefern. Diese Geschichte passt gut in das christliche
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