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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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extrem schlechtes Selbstwertgefühl und wiederholt starke Depressionen dazu. Diese ungünstige Mischung macht seine späteren Taten erklärbar. Er hat in seiner Kindheit und Jugend wegen seiner psychischen Probleme nicht gelernt, eine wie auch immer geartete normale Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen. Deshalb konnte er deren Verhalten auch nie gut einschätzen und fühlte sich immer schlecht behandelt. Alles Gute, was ihm widerfuhr, nahm er kaum zu Kenntnis. Stattdessensah er sich immer nur als Opfer schlechter Umstände und seiner unkontrollierbaren Gefühle. Es war ihm selbst ein völliges Rätsel, warum er so anders war als die anderen.
    Sowohl seine Adoptiveltern als auch seine leibliche Mutter versuchten, ihm Freundlichkeit entgegenzubringen. Doch wegen seines sehr schlechten Selbstwertgefühls, seiner Depressionen und seiner schnell aufkommenden Wut nahm er hauptsächlich das Negative wahr. Nicht die Freude seiner leiblichen Mutter über das Wiedersehen kam bei ihm an, sondern ihre Geschichte über seine ungewollte Zeugung. Er hätte die Geschichte auch ganz anders verstehen können: Sie hatte ihn nicht abtreiben wollen, sondern sich dafür entschieden, ihn zu bekommen und zur Adoption freizugeben, damit er eine Chance auf ein glückliches Leben hatte. Bei Berkowitz kam diese positive Sichtweise nie an. Für ihn stand nur fest, dass er das ungewollte Ergebnis einer Affäre war, was zu seiner Einstellung, nichts wert zu sein, gut passte. Auch die vielen Bemühungen, mit denen seine Adoptiveltern ihm zu zeigen suchten, dass sie ihn liebten und gern bei sich hatten, verpufften praktisch im großen, schwarzen Loch seiner Minderwertigkeitsgefühle.
    Den Gefühlszustand, in dem ein Mensch mit so starken psychischen Störungen steckt, kann eine gefühlsmäßig gesunde Person kaum nachvollziehen. Jemand wie Berkowitz, der hauptsächlich Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle und Wut erlebt, sieht seine Welt wie durch eine schwarze Brille. Jeder andere Mensch sieht durch diese Brille wie ein gemeines Monster aus, und seine Umgebung erscheint ihm als ein hässlicher, stinkender Ort. Das zeigte Berkowitz sehr anschaulich in einem Brief, den er einem Reporter der New York Daily News vor seiner Verhaftung schrieb.
    Der Brief beginnt mit den Worten: »Hallo aus den Regenrinnen von New York City, die gefüllt sind mit Hundekot, Kotze, abgestandenem Wein, Urin und Blut. Hallo aus den Abwasserkanälen, die diese Leckerbissen verschlingen, wenn sie von den Reinigungsfahrzeugen weggewaschen werden. Hallo aus den Ritzen der Bürgersteige und von den Ameisen, die in diesen Ritzen leben und sichvon dem getrockneten Blut der Toten ernähren, das in die Bürgersteigritzen eingesickert ist.«
    Wie sehr Berkowitz selbst von seinen total unkontrollierbaren und widersprüchlichen Gefühlen verwirrt war, zeigte er immer wieder. Die Frage eines Psychiaters nach seiner Einstellung zu Frauen beantwortete er mit den Worten: »Ich wollte ein Liebhaber von Frauen sein, aber ich wollte sie auch zerstören.« Berkowitz ist aber kein Sadist. Er hatte nie sexuelle Fantasien, in denen er Frauen folterte. Auch die Art, mit der er tötete, deutet darauf hin, dass er kein Sadist ist. Er erschoss Frauen, ohne sie vorher zu erniedrigen, zu verängstigen oder körperlich zu foltern. Es ging ihm nicht darum, sie zu quälen, sonder darum, sie auszulöschen.
    1975 griff er zum ersten Mal zwei Frauen in kurzem Abstand hintereinander an. Es war am Weihnachtsabend, eine Zeit also, in der viele Menschen glücklich im Kreis ihrer Familie sitzen. Berkowitz war alleine und voller Hass. Er stürzte mit einem Messer auf die Frauen los. Eine von ihnen verletzte er dabei so schwer, dass sie ins Krankenhaus kam. Später sagte Berkowitz, dass er sich erschreckte, als die Frauen bei seinem Angriff schrien. »Ich wollte ihnen nicht wehtun, ich wollte sie nur töten«, war seine kühle, inhaltlich aber richtige Erklärung dazu.
    Berkowitz war nicht getrieben von sexuellen Wünschen, sondern von Hass und Enttäuschung gegenüber sich selbst und vor allem gegenüber »den Frauen«, die ihm aus seiner Sicht nur Leid gebracht hatten. Er sagte einem Psychiater: »Ich hasse besonders Frauen, die tanzen. Ich hasse ihre Sinnlichkeit, ihre lockeren moralischen Einstellungen. Ich bin selbst kein Heiliger, aber ich schiebe ihnen die Schuld für alles zu.« Seine Mutter war in ihrer Jugend Tänzerin am Broadway gewesen. Aus seiner Sicht war ihre »lockere moralische Einstellung«

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