Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
an Hexerei und übernatürlichen Dingen geweckt hätte.
Mit achtzehn Jahren ging Berkowitz für drei Jahre in die Armee. Er wollte ein Kriegsheld in Vietnam werden, war er doch bis dahin ein völliger Außenseiter ohne Freunde, der sich für unattraktiv hielt. Bis zu seinem Eintritt in die Armee bestand seine Hauptbeschäftigung darin, einsam zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die Straßen New Yorks zu geistern, Feuer zu legen oder kleine Diebstähle zu begehen. Aus seinen Träumen, dieses triste Leben hinter sich zu lassen und mit Heldenruhm nach New York zurückzukehren, wurde nichts. Er landete in Südkorea, wo er sich nicht besonders hervortat und ohne irgendwelche Anerkennung wieder nach Hause geschickt wurde. Das Einzige, was ihm von seiner Zeit in der Armee dauerhaft blieb, war eine Geschlechtskrankheit, die er sich bei seinem ersten und einzigen sexuellen Erlebnis mit einer Frau – dummerweise war es eine Prostituierte aus einem Elendsviertel – holte.
Zurück in den USA steckte er alle seine Energie in das Vorhaben, seine leibliche Mutter zu finden. Dieses Treffen wurde eine weitere große Enttäuschung in seinem Leben. Seine Mutter erklärte ihm, unter welch ungünstigen Umständen er gezeugt worden war. Er begriff, dass er »ein Unfall war, ein Fehler, der niemals geboren werden sollte – ungewollt«.
Seine Mutter merkte nicht, wie sehr sie Berkowitz mit der vollen Wahrheit über seine Zeugung verletzte. Sie wollte daran glauben, dass der kleine Junge, den sie nach seiner Geburt Richard genannt hatte, ein gesunder und glücklicher Erwachsener gewordenwar. Den emotional völlig kaputten David, der nun vor ihr stand, nahm sie gar nicht wahr. Sie weigerte sich sogar, ihn David zu nennen. Für sie war er ihr kleiner »Richie«.
Berkowitz versuchte, die Erwartungen seiner so lange vermissten Mutter oberflächlich zu erfüllen. Während er ihr bei den seltenen Besuchen vorspielte, »der nette Richie« zu sein, wie er seine eingeübte Rolle selbst nannte, kochte er innerlich. »Ich war erfüllt mit Ärger und Wut gegen Betty (der Name seiner leiblichen Mutter). Ich entwickelte ein sehr starkes Verlangen danach, den Großteil meiner leiblichen Familie zu töten.«
Doch das brachte Berkowitz nicht fertig. Er schaffte es auch nicht, seine Wut und Enttäuschung irgendwie zu verarbeiten und hinter sich zu lassen. Stattdessen staute sich seine Wut immer mehr auf, weil er seiner Mutter weiter vorspielte, der nette und fröhliche Junge zu sein, den sie sich als Sohn wünschte. Schließlich brach er den Kontakt zu ihr ab.
Eine Weile konnte Berkowitz seine negativen Gefühle abreagieren und sich kurzzeitig mächtig fühlen, indem er Feuer legte. Bis zu seinem ersten Mord waren es mehr als eintausend Feuer in Mülltonnen oder Abbruchhäusern, die er in seinem Tagebuch penibel notierte. Während er das Feuer legte, befriedigte er sich selbst. Dann schaute er aus sicherer Entfernung zu, wie die Feuerwehr das Feuer löschte, und befriedigte sich dabei noch ein Mal. Dieses Verhalten ist typisch für Serienbrandstifter. Doch irgendwann reichte dieser Kick Berkowitz nicht mehr aus.
Sein ohnehin negatives Frauenbild verstärkte sich durch die Treffen mit seiner leiblichen Mutter. Er war sehr enttäuscht darüber, dass er sich seiner Adoptivmutter nie wirklich nah gefühlt hatte. Seine leibliche Mutter bemerkte seine schweren Probleme überhaupt nicht. Statt bei ihr Halt zu finden, spielte er ihr einen Jungen vor, der er nicht war. Enge persönliche Beziehungen zu Frauen brachte er nicht zustande. Ihm gelang es nie, eine feste Freundin zu finden, während seine Bekannten heirateten und Familien gründeten. Die einzige Sexualpartnerin seines Lebens hatte ihn mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt. In ihm blieb nurnoch Hass übrig. Er hasste sich und noch mehr hasste er »die Frauen«, die ihn aus seiner Sicht auf allen Ebenen nur enttäuscht hatten.
Die Kluft zwischen dem, was er sein wollte, und seinem trostlosen Leben, wie es in Wirklichkeit aussah, wurde ihm immer bewusster. In seinen Träumen war er ein mächtiger Held, den andere Menschen schätzten, ein geliebter Sohn und Liebespartner. In Wirklichkeit war er ein einsamer Kleinkrimineller, der sich niemandem nahe fühlte und von den wenigen Menschen in seinem Leben nur enttäuscht war. »Ich habe mich gefühlt wie wertlose Scheiße«, beschrieb er diesen Zustand.
Berkowitz ist ein typischer Antisozialer (siehe S. 128 ff.), allerdings kommen bei ihm noch ein
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