Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
nicht leugnen kannst, dann erkläre, warum du trotzdem nichts dafür kannst und das eigentliche Opfer bist.«
In Miami ging Unterweger das Geld aus. Seine Freundin als Nachtklubtänzerin arbeiten zu lassen, brachte auch nicht genug ein. Deshalb wollte er sich im Februar 1992 Geld für ein Interview überweisen lassen und wurde beim Versuch, das Geld abzuholen, vom FBI verhaftet. Dieses suchte ihn nämlich für die Prostituiertenmorde in Los Angeles. Er wurde nach Österreich ausgeliefert und dort für elf Morde in drei Ländern angeklagt.
Unterweger gab sich – wie auch Ted Bundy (siehe S. 94) – bei seinem Prozess selbstsicher. Gut gekleidet lächelte er in die Kameras, als habe er schon gewonnen. Mit großen Worten beteuerte er seine Unschuld und Aufrichtigkeit. Doch die Beweise waren zu schlüssig. In neun Fällen war das Gericht von seiner Schuld überzeugt und verurteilte ihn zu lebenslanger Haft. Einen Tag später erhängte sich Unterweger mit dem Gummizug seiner Jogginghose in seiner Zelle. Dabei machte er genau den Knoten, mit dem die Prostituierten ermordet worden waren.
Vermutlich erlosch Unterwegers Lebenswille, weil er Dinge wie das Töten zur sexuellen Befriedigung und das Dasein als Prominenter, nach denen er so süchtig geworden war, durch die Verurteilung endgültig verloren hatte. Seine gesamte Kraft während sechzehn Jahren Haft hatte er dafür verwendet, um seine tiefsten Wünsche wahr werden zu lassen: Er wurde berühmt, bewundert,beliebt, übte Macht über viele Menschen aus, konnte reisen und ein abwechslungsreiches Leben führen. Durch seine Gier nach alldem war er so hoch gestiegen. Den Absturz überlebte er nicht.
Antisoziale und Psychopathen
Dissoziale bzw. antisoziale Persönlichkeitsstörung
Es gibt zwei von Psychologen und Psychiatern auf der ganzen Welt benutzte Handbücher mit Listen von Merkmalen, nach denen bei einem Menschen das Vorhandensein einer »dissozialen« oder auch »antisozialen Persönlichkeitsstörung« festgestellt wird. Eine Möglichkeit, die Störung zu beschreiben, bietet das Krankheitenhandbuch »ICD« (Abkürzung für »Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme«). Es wird auf der ganzen Welt benutzt, alle paar Jahre überarbeitet und auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht, weshalb es inzwischen schon die zehnte Ausgabe davon gibt. Das »ICD« wird von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben und beschreibt alle international bekannten Krankheiten. Diesem Handbuch zufolge hat ein Mensch eine »dissoziale Persönlichkeitsstörung«, wenn auf ihn drei der folgenden Eigenschaften zutreffen.
1. Ein Mensch mit dissozialer Persönlichkeitsstörung fühlt kaum bis gar nicht mit anderen Menschen mit. Wenn andere Menschen Gefühle zeigen, löst das bei ihm keine eigenen Gefühle aus. Das wirkt auf andere Menschen gefühlskalt und ist es auch.
2. Grundlegende Regeln des menschlichen Zusammenlebens wie »Man soll nicht stehlen«, »Man soll niemanden verletzen oder töten«, »Man soll die Sachen anderer nicht kaputt machen« sind einem solchen Menschen fremd.
3. Es fällt ihm auch schwer, sich auf eine feste Beziehung – sei es ein Liebespartner, ein Verwandter oder ein Freund – einzulassen. Da er kaum Gefühle für andere entwickelt, fühlt er sich ihnen auch nicht verbunden.
4. Der dissozial Persönlichkeitsgestörte wird leicht ärgerlich und wütend. Er reagiert unangemessen schnell und heftig mit Beleidigungen oder körperlicher Gewalt gegen Gegenstände oder andere Menschen.
5. Schuldgefühle hat ein solcher Mensch nie. Er schafft es auch nicht, durch Rückmeldungen anderer Menschen oder Bestrafung dazuzulernen und sein Verhalten dementsprechend zu verändern. Für das, was er tut, tragen immer andere Menschen oder Umstände die Schuld.
6. Die meiste Zeit fühlt er sich angespannt und gereizt.
Das amerikanische Handbuch der Krankheiten, »DSM« (Abkürzung für »Diagnostisches und statistisches Handbuch psychischer Störungen«), beschreibt die Störung unter dem Begriff »Antisoziale Persönlichkeitsstörung« ähnlich:
Der Antisoziale missachtet und verletzt die Rechte anderer Menschen wiederholt über viele Jahre und das schon seit seiner Kindheit oder Jugend. Mindestens drei der folgenden Beschreibungen treffen auf ihn zu:
1. Ihm sind sowohl grundlegende gesellschaftliche Umgangsregeln (= nicht stehlen, zerstören, verletzen, töten) als auch Gesetze egal, sodass er immer
Weitere Kostenlose Bücher