Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Mord wurde er zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt. Die Zeit im Gefängnis nutzte er, um eine Ausbildung anzufangen, sich die bis dahin fehlende Bildung durch Zeitungen und Bücher anzueignen und seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. EinerJournalistin, die mit ihm sprechen wollte, schickte er das von Hermann Hesse geklaute Gedicht »Der Wanderer an den Tod«. Der gefühlsbetonte Text kam bei der Dame gut an. Er lautet:
Auch zu mir kommst du einmal, / du vergisst mich nicht, / und zu Ende ist die Qual / und die Kette bricht. / Noch erscheinst du fremd und fern, / lieber Bruder Tod. / Stehest als ein kühler Stern / über meiner Not. / Aber einmal wirst du nah / und voll Flammen sein. / Komm, Geliebter, ich bin da, / nimm mich, ich bin dein.
Die Journalistin glaubte wegen des Gedichtes, einen im Kern verwundbaren und gefühlvollen Menschen mit schriftstellerischem Talent vor sich zu haben. Sie vermittelte ihm Kontakte zu anderen Journalisten und Schriftstellern. Unterwegers Idee, mit dem Gedicht Eindruck zu schinden, war ein voller Erfolg.
Vom Zuspruch der Journalistin angespornt, legte sich Unterweger von da an richtig ins Zeug. Er schickte Texte von sich an Journalisten und Verlage und schrieb ein Buch über seine Lebensgeschichte. Der ins Auge fallende Titel war Fegefeuer – eine Reise ins Zuchthaus . Das Buch bekam positive Kritiken und verkaufte sich gut. Einer der Gründe für den Bucherfolg war die unverblümte und harte Art, mit der Unterweger seine abenteuerliche Lebensbeichte – inklusive sehr deutlich erzählter sexueller Abenteuer – beschrieb. Dieser einem Psychopathen leichtfallende Schreibstil befriedigte die Sensationsgier gutbürgerlicher Leser, die mit derartig kaputten und kriminellen Lebensverhältnissen selten zu tun haben.
Unterweger arbeitete an seinem Bild als Vorzeigehäftling und begann, eine Literaturzeitschrift herauszugeben. Bald folgte ein Theaterstück über sein Leben, das auf verschiedenen österreichischen Bühnen aufgeführt wurde. Er schrieb unter anderem Erzählungen, Romane, Gedichte und Texte für Kinderradiosendungen. Hartnäckig und vom Drang getrieben, sich öffentlich darzustellen und bejubeln zu lassen, verbreitete Unterweger seine Schriften vom Gefängnis aus. Schriftsteller und Schauspieler, die er für sicheinspannen konnte, stellten seine Texte bei öffentlichen Lesungen vor, während er weiter im Gefängnis saß.
Unterweger setzte – ebenso wie beispielsweise auch Ted Bundy (siehe S. 94 ff.) – seine für Psychopathen typischen Fähigkeiten gezielt und erfolgreich ein: Er war redegewandt, übermäßig selbstsicher und erkannte schnell, was andere Menschen wollten. Weil er weder mit anderen mitfühlen konnte noch jemals ein schlechtes Gewissen hatte, hinderte ihn nichts daran, jeden Menschen, der ihm nutzen konnte, für sich einzunehmen und zu beeinflussen. Nachdem er sich einen Ruf als begabter Schriftsteller und vorbildlich gebesserter Häftling aufgebaut hatte, brachte er seine Unterstützer dazu, sich für seine Haftentlassung einzusetzen. Viele einflussreiche und bekannte Menschen Österreichs unterschrieben die Forderung, Unterweger solle auf Bewährung frühzeitig entlassen werden. 1990 durfte er tatsächlich das Gefängnis verlassen.
Das Leben nach der Haft war sehr angenehm für Unterweger. Bei Lesungen beschwerte er sich über die Missstände in österreichischen Gefängnissen, gab Interviews und arbeitete als Journalist. Wie alle Narzissten genoss er das Publikum und die große Bestätigung, die ihm seine Leser und Bewunderer entgegenbrachten. Außerdem konnte er den bei Psychopathen oft vorhandenen Drang nach Abwechslung voll befriedigen.
Als Journalist befasste er sich mit Themen, die ihm selbst nahe waren: Knastleben, Prostitution, Waffenhandel, Leben auf der Straße. Auch außerhalb öffentlicher Auftritte holte er sich reichlich Selbstbestätigung. Er legte sich einen teuren Sportwagen, eine hübsche Wohnung und teure Kleidung zu. Durch seine vielen Vorträge an verschiedenen Orten hatte er die Möglichkeit, zahlreiche Affären mit Frauen einzugehen. Die Damen waren von seinem übermäßig selbstsicheren Auftreten und seiner Berühmtheit beeindruckt, sodass Unterweger sie leicht um den Finger wickeln konnte. Außerdem schaffte er sich eine gerade achtzehnjährige Dauerfreundin an, die seinen Haushalt erledigte und Geld für beide verdienen sollte.
Doch seine Gier danach, Frauen zu töten, konnte er nicht durch all die Vergnügungen, die
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