Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
die Österreicher Josef Fritzl und Wolfgang Priklopil sowie an den hierzulande weniger bekannten US-Amerikaner Phillip Craig Garrido, (siehe Kapitel »Das ›Heranzüchten‹ einer Ehefrau«).
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Therapie im Knast ist kein Kuschelkurs
Weil sich die allermeisten Menschen überhaupt nicht vorstellen können, wie die Therapie von Pädophilen im Gefängnis abläuft und was dabei auch in den Tätern passiert, möchte ich Ihnen hier einen kleinen Einblick in meine Arbeit im Therapeutenteam einer Missbrauchstätergruppe in einer sozialtherapeutischen Anstalt geben.
Am Anfang einer Therapie müssen die Täter überhaupt den Willen entwickeln, sich und ihr Verhalten zu verändern. Manche Täter haben diesen Willen bereits, wenn sie in die Therapie kommen. Andere wollen zwar etwas dafür tun, nicht wieder ins Gefängnis zu kommen, haben aber zunächst noch kein Gefühl dafür, wirkliches Unrecht begangen zu haben.
Deshalb wird den Tätern erst einmal klargemacht, warum Kindesmissbrauch den Opfern schadet, wie die Opfer den Missbrauch erleben und welche psychischen Probleme sie oft in ihrem späteren Leben dadurch entwickeln. Ihre Tat reden sich die Täter nämlich sehr oft schön und versuchen an dem Gedanken festzuhalten, den Kindern »eigentlich nicht wirklich zu schaden«. Die Täter wollen oft nicht wahrhaben, dass die Kinder gefühlsmäßig von ihnen abhängig sind und Angst davor haben, bestraft zu werden oder ihre Familie zu verlieren, wenn sie sich jemandem offenbaren. »Wenn das, was ich mache«, reden sie sich ein, »schlimm wäre, dann würde das Kind ja nicht immer wieder zu mir kommen, es würde sich mehr wehren.« Oder sie sagen sich: »Das Kind versteht ja gar nicht, dass mein Verhalten nicht normal ist, also leidet es auch nicht darunter.«
Derartige Verzerrungen der Wirklichkeit werden am Anfang einer Therapie angegangen. Sehr nützlich ist hierbei, dass die Täter nicht nur Einzelgespräche mit Psychotherapeuten führen, sondern auch regelmäßig eine Gruppentherapie besuchen. Manchmal denken die Täter am Anfang nämlich, »der Psychologe weiß ja gar nicht, wie das ist, der hat gut reden«. Doch wenn andere, die »im gleichen Boot« sitzen, einen im Gefängnis neu angekommenen Täter mit den Fehlern in seinem Denken konfrontierenund ihm von ihren Therapiefortschritten erzählen, dann kann der Neue sich nicht so leicht darauf ausruhen, dass die anderen seine Situation ja nicht verstehen könnten.
Wenn die Täter dann wirklich begreifen, was sie ihren Opfern angetan haben, motiviert sie das meist, solche Taten nie wieder begehen zu wollen. Manche Täter brechen zusammen, wenn sie das volle Ausmaß ihrer Taten und die Folgen für die Opfer erkennen, besonders, wenn es ihre eigenen Kinder waren oder sie positive Gefühle dem Opfer gegenüber hatten.
Manchmal zeigen sich Täter sogar während der Therapie im Gefängnis selbst für Taten an, die bis dahin unentdeckt geblieben sind. Sie wollen (was für eine erfolgreiche Therapie wichtig ist) wirklich alles , was sie getan haben, in der Therapie verarbeiten und ihre Schuld – so weit irgend möglich – begleichen. Dafür nehmen sie in Kauf, dass sich ihre Haftstrafe verlängert.
Wenn der Täter wirklich gewillt ist, gegen seine bisherigen Fantasien und Verhaltensweisen anzugehen, werden ihm verschiedene Methoden beigebracht, mit denen er einen Rückfall zu verhindern lernt. Er muss seine Taten und alle damit zusammenhängenden Gedanken, Gefühle und Lebensumstände ausführlich darstellen. Daraus wird eine »Delikt-Entscheidungskette« – auch »Tatkreislauf« genannt – gebildet, bei der er seine Taten und was vorher und danach in ihm vorging in einzelne Schritte zerlegt. Er hat vor dem Missbrauch verschiedene Entscheidungen getroffen, die am Ende zum Missbrauch führten. Das muss er verstehen lernen, um sich in Zukunft möglichst frühzeitig anders zu entscheiden.
Ein Beispiel für einen Tatablauf, den der Täter in der Therapie genau zu verstehen lernen würde, könnte folgender sein:
Der Täter erzählt, dass er vor der Tat Streit mit seinen in der Nähe lebenden Eltern hatte. Deswegen war er wütend, enttäuscht, fühlte sich ungeliebt und wertlos. Auf dem Heimweg in seine Wohnung traf er ein Kind aus der Nachbarschaft, das er vom Basketballverein, in dem er auch selbst spielte, kannte. Um mit den schlechten Gefühlen nach dem Streit nicht alleine zu Hausesitzen zu müssen, lud er das Kind zum Computerspielen ein. Während das Kind bei ihm
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