Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
Täter selbst als Kinder vernachlässigt, misshandelt oder missbraucht wurden, würden Hilfsprogramme für Pädophile einerseits und überforderte Familien andererseits die Anzahl der späteren Täter senken. Das würde allerdings etwa eine Generation dauern. In dieser Zeit könnten umfassende Therapien Pädophiler (sowohl bereits straffällig gewordener als auch verstärkt solcher, die sich rechtzeitig Hilfe suchen) die Zahlen von Missbrauchstaten merklich senken. Darüber hinaus könnte ein verbesserter Schutz, eine stärkere Betreuung und gezielte Aufklärung über Kindesmissbrauch besonders Kinder aus Problemfamilien davor bewahren, Opfer und vielleicht später selbst Täter zu werden. Dieses Vorhaben wäre teuer und aufwendig, doch es würde sich lohnen. MehrKinder hätten dann die Möglichkeit, sich psychisch und gefühlsmäßig gesund zu entwickeln, was die Wahrscheinlichkeit verringern würde, dass sie Eigenschaften wie fehlendes Einfühlungsvermögen oder schnell aufwallende Wut und Frustration ausbilden, die es wiederum wahrscheinlicher machen, dass jemand eine Straftat begeht. Viele Täter wären – wie man an den Beispielen in diesem Buch sehen kann – wahrscheinlich nicht zu Tätern geworden, wenn sie als Kinder nicht selbst Opfer schlimmer Lebensumstände gewesen wären.
Muss man pädophil sein, um sich an Kindern zu vergehen?
Viele Menschen denken, dass Kinder nur durch Männer, die Kinder sexuell anregend finden, missbraucht werden. Das stimmt aber nicht. Wer mit Kindern sexuelle Handlungen durchführt, ist nicht zwangsläufig pädophil.
Die meisten Menschen in unserem Kulturkreis wissen, dass es zwischen Heterosexuellen und Homosexuellen viele Ausprägungen dazwischen gibt, die vereinfacht ausgedrückt unter dem Wort bisexuell zusammengefasst werden. Genau so gibt es auch bei sexuellen Vorlieben, die auf das Alter bezogen sind, zwischen Menschen, die ausschließlich durch Kinder sexuell erregt werden, und solchen, die ausschließlich durch Erwachsene sexuell erregt werden, verschiedene Zwischenstufen.
Es gibt eine größere Gruppe von Missbrauchstätern, die schon von ihrer Pubertät an ausschließlich sexuelle Vorstellungen mit Kindern hatten, sich nur Kinder als Lebens- und Beziehungspartner vorstellen können und kaum bis gar keine romantischen oder sexuellen Gefühle für Erwachsene empfinden. Sie werden »Kernpädophile« genannt. Diese Menschen können zwar lernen, auch mit (jungen) Erwachsenen eine Sexualität aufzubauen, werden aber ihr Leben lang pädophile Wünsche haben, die sie in einer Therapie zu beherrschen lernen.
Eine andere große Gruppe hat sowohl für Erwachsene als auch für Kinder sexuelle und manchmal auch romantische Gefühle. Mannennt ihre sexuelle Neigung eine »pädophile Nebenströmung«. Diese Menschen lernen während einer auf ihre Neigung ausgerichteten Therapie, ihre Bedürfnisse nach Sex, Liebe, Zärtlichkeit, Nähe, Vertrauen und allem, was Menschen eben in Partnerschaften suchen, gezielt auf Erwachsene auszurichten. Gleichzeitig lernen sie, sexuelle Bedürfnisse gegenüber Kindern mit negativen Gefühlen zu verbinden und aktiv gegen solche sexuellen Bedürfnisse anzugehen (siehe S. 177, »Therapie im Knast ist kein Kuschelkurs«). Auf lange Sicht sollen diese Menschen in einer erwachsenen Partnerschaft sexuelle und gefühlsmäßige Befriedigung finden.
Eine dritte Gruppe besteht aus Menschen, die keine pädophile sexuelle Neigung haben. Sie werden grundsätzlich durch Erwachsene sexuell erregt und wünschen sich eigentlich auch einen erwachsenen Beziehungspartner. Allerdings haben sie starke Probleme damit, sich auf eine erwachsene Art mit Konflikten und Beziehungsproblemen auseinanderzusetzen. Manche schaffen es auch nicht, einen erwachsenen Partner zu finden, weil sie zu selbstunsicher sind. Diese Menschen sind vor der Tat meist irgendwie unzufrieden. Sie haben das Gefühl, nicht genug Liebe, Nähe, Sex oder Zuwendung bekommen zu können.
Vor der ersten Missbrauchstat haben sie vielleicht Streit mit ihrem erwachsenen Partner, eine länger andauernde Beziehungskrise, sind unglücklich verliebt oder wurden verlassen. Es frustriert sie, gerade keinen Partner zu haben oder nicht so viel Nähe und Bewunderung vom vorhandenen erwachsenen Partner zu bekommen, wie sie sich wünschen würden. In einer solchen Situation kann so ein Mensch mehr und mehr Nähe und Kontakt zu einem in seinem Haushalt oder der Nachbarschaft lebenden Kind suchen.
Das Kind gibt ihm die
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