Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
hebephilen Fantasien dieselben Konsequenzen haben.
Viele Menschen haben eine klare Meinung zu Pädophilen. Wenn man dann aber genauer nachfragt – was ich öfter tue, wenn mich jemand auf meine Arbeit in einer Therapiegruppe für Pädophile im Gefängnis anspricht –, dann stelle ich meistens fest, dass die Leute von dem Thema, zu dem sie eine krasse Meinung vertreten, eigentlich kaum etwas wissen. Sie »BILD-en sich ihre Meinung« zum Thema durch Klatschblätter, die gerne gegen Psychologen und Psychiater wettern, welche mit Straftätern arbeiten, und dabei Vorurteile und Hass in der Bevölkerung verstärken. Viele Menschen glauben beispielsweise, dass sich nur Personen mit pädophilen Fantasien an Kindern vergehen, dass diese Fantasien meistens Geschlechtsverkehr mit Kindern beinhalten, der mit körperlicher Gewalt durchgesetzt wird, und dass Frauen niemals Kinder sexuell missbrauchen. Mit diesen weit verbreiteten Fehlinformationen möchte ich an dieser Stelle aufräumen.
Manche pädophilen Menschen onanieren ein Leben lang zu entsprechenden Fantasien, ohne jemals auch nur ansatzweise ein Kind sexuell zu bedrängen. Diese Pädophilen sind sich im Klaren darüber, dass sie Kindern schaden würden, und entscheiden sich bewusst dafür, ihre Wünsche unter Kontrolle zu halten. Entsprechende anonyme Rückmeldungen haben Mark und ich nach Vorträgen, in denen wir auch Pädophilie thematisieren – manchmal anonym und manchmal auch in Gesprächen – erhalten. Einige sind sich ihrer Neigung zwar bewusst, lehnen sie aber aus persönlicher Überzeugung ab und schieben solche Gefühle direkt zur Seite, wenn diese aufkommen. Sie halten sich dann ein Leben lang von Kindern fern und finden sich damit ab, diesen Teil von sich auf Dauer mit sich selbst auszumachen. Weil solche Pädophilen in der Regel niemals irgendwo mit ihrer Neigung auffallen, ist ihre Anzahl unbekannt.
Dass es sie gibt, zeigte aber beispielsweise das Präventionsprojekt Dunkelfeld der Berliner Charité, das über seinen Werbespruch »Kein Täter werden« bekannt wurde. Männer mit pädophiler Neigung wurden deutschlandweit aufgefordert, sich anonym in Behandlung zu begeben. In dieser Behandlung sollten sie lernen, ihre sexuellen Fantasien dauerhaft zu kontrollieren und verantwortungsvoll damit umzugehen. Eine Flut an Interessenten meldete sich, denn solche Wünsche zu haben, macht auch den Betroffenen oft Angst, und sie haben absolut niemanden, an den sie sich wenden können.
Während meiner Arbeit mit verurteilten Pädophilen erfuhr ich, dass einige von ihnen irgendwann, nachdem sie sich ihrer Neigung bewusst geworden waren, Hilfsangebote im Internet gesucht oder sogar anonym Psychologen angerufen haben, all das ohne Erfolg. Teilweise wurden sie sogar harsch von Psychotherapeuten abgewiesen, mit Worten wie: »Mit so etwas möchte ich nichts zu tun haben.«
Bis heute gibt es nur wenige Anlaufstellen für pädophile Menschen. Das liegt vor allem an den fehlenden Finanzmitteln. Welcher Politiker würde es schon riskieren, sich für die anonymenTherapieangebote für Pädophile einzusetzen, wenn er sich damit zur Zielscheibe anderer Politiker, Parteien und der Boulevardpresse machen würde? Niemand denkt daran, dass auch der eigene Bruder, der beste Freund, der Sohn oder Lebensgefährte solche Fantasien haben könnte und dass eine Neigung zu haben nicht dasselbe ist wie eine Handlung, die anderen Menschen tatsächlich schadet. Eine pädophile Neigung ist keinesfalls eine Entschuldigung für begangene Taten, denn jeder Pädophile hat die Wahl, sich gegen die Umsetzung der eigenen Fantasien zu entscheiden – wie auch jeder Mensch, der jähzornig ist, sich dagegen entscheiden kann, deshalb gewalttätig zu werden. Doch genauso, wie pädophile Menschen die Verantwortung dafür tragen, ihr Verhalten zu kontrollieren, liegt es in der Verantwortung der Gesellschaft, all denen, die lernen wollen, ihre Neigung für immer im Griff zu haben, Hilfsangebote zu schaffen. Denn würde es solche Angebote vermehrt geben, dann gäbe es nachweislich weniger Kindesmissbrauch.
Ebenso notwendig wäre ein besserer Schutz von Kindern überforderter Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen oder körperlich misshandeln. Solche Kinder werden nämlich – ich komme noch darauf zurück – bevorzugt zu Opfern Pädophiler, weil sie sich nach Erwachsenen, die ihnen Zuwendung und positive Aufmerksamkeit bieten, sehnen. Das nutzen Täter, die Kinder missbrauchen, oft aus.
Da viele
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